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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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…«
    Mit hochrotem Gesicht stürzte sich Felix auf ihn. Julius rannte zu ihm, doch Claes war schneller, so wie Simon Lionetto zuvorkam. Einen kurzen Augenblick rempelten der Lehrling und der Schotte aneinander. Es war das dritte Mal binnen weniger Wochen, daß sie zusammentrafen. Es war das zweite Mal, daß sie einander berührten. Und es war eine Begegnung von größerer Tragweite als alle anderen. Denn als der Schotte zurückwich, sah man Blutflecken auf seinem eleganten zitronengelben Wams.
    Simon holte tief Luft. Dann bedeckte er mit der einen Hand die Wunde und zog mit der anderen die zusammengerollte Schürze unter Claes’ Arm hervor, aus der eine glänzende, rot beschmierte Spitze hervorstach. Schweigend griff er danach, entrollte die Schürze und hielt eine Schere empor. Lionetto nahm sie sich und betrachtete sie eingehend.
    »Der Bursche hat mich angegriffen. Ich fordere das Recht, ihn zu bestrafen«, erklärte Simon »Ein solches Recht habt Ihr nicht. Er ist ein Dienstbote. Er wollte mich beschützen«, widersprach Felix mit purpurrotem Gesicht Julius mischte sich ein. »Mylord, es war ein Unfall. Die Schere war beim Schleifen, und Claes hatte sie zur Sicherheit in seine Schürze gewickelt. Vergebt mir, aber dies hier ist nicht Euer Streit.«
    »In der Tat«, gab Simon zu. Seine strahlend blauen Augen erinnerten Julius an seinen Ruf als Frauenheld. Es hieß, die widerspenstige Katelina van Borselen habe ihm einen Korb gegeben, und seitdem habe er mit jeder hochgeborenen Dame in Brügge das Bett geteilt. Kräftig genug sah er aus, es war ihm zuzutrauen, und wenn man ihn so betrachtete, konnte man sicher sein, daß die Auserkorenen es genossen hatten. Wie hypnotisiert starrte Julius ihn an.
    »Mag sein, daß es nicht mein Streit ist«, fuhr Simon fort, »aber das da ist, ich versichere es Euch, mein Blut. Hauptmann Lionetto, Ihr und Hauptmann Astorre seid große Söldnerführer, und Euer beider Leben gilt Königen wie auch Republiken sehr viel. Wie könnte Brügge es verantworten, wenn solche Männer wegen, eines sinnlosen Streits der Welt abhanden kämen? Ich habe den Pokal ins Wasser geworfen. Der Flegel da hat ihn zerbrochen. Warum solltet Ihr mich nicht für Euch und den Burschen für den Hauptmann der Charettys kämpfen lassen. Wie die Dinge stehen, verlangt die Ehre, daß ich ihn bestrafe.«
    Er hielt inne, blickte um sich und verzog den Mund zu einem angedeuteten Lächeln.
    »Und sofern Ihr einen solchen Kampf nicht aufgrund des Standesunterschieds für unangemessen erachtet, versichere ich Euch, daß ich keinesfalls die Waffe eines Edelmanns gegen einen Lehrling erhebe. Er mag wählen, woran er gewöhnt ist. Einen Spieß, einen Schlagstock, eine Stange - ich werde mich unter Einsatz jeder beliebigen Waffe mit ihm messen.«
    Beifälliges Geraune. Astorre, der neben Julius stand, sagte: »Das ist nur recht und billig, wenn man bedenkt, daß der Schotte mit einem Loch im Leib kämpfen muß.«
    »Das ist nicht der Rede wert. Seht doch selbst, es blutet nicht einmal mehr. Astorre, Claes kämpft nicht.«
    »Jeder Mensch kämpft«, erwiderte der Hauptmann gereizt. »Er hat doppelt so breite Schultern wie der Schönling da, außerdem ist er jünger. Wie auch immer, er hat meinen Pokal fallen lassen.«
    Von Astorre war also keine Unterstützung zu erwarten. Und auch kein anderer war in Sicht, der dem Ganzen Einhalt geboten hätte. Die Edelmänner wie auch die Kommodores der Galeeren hatten sich umsichtig längst zurückgezogen; die Bogenschützen hatten keine Anweisungen und legten nur das lebhafte Interesse an den Tag, das jedermann an einem Kampf hat. Von den Magistraten aus Sluis, Damme und Brügge, die für Gerechtigkeit hätten sorgen können, war auch keiner mehr da. Nur noch Julius, der Astorre zusetzte, und Felix, der auf Lionetto einredete. Doch der Versuch, die beiden zu überreden, blieb vergebens.
    Denn Lionetto und Astorre waren schließlich Soldaten und stets darauf aus, einen Gegner zu töten, zu verletzen oder sich seiner sonstwie zu entledigen, nur nicht wie Schuljungen in einem Zweikampf. Das machte einen zum Gespött der Leute. Es gab für erwachsene Männer angemessenere Mittel und Wege.
    Es war also beiden mehr als recht, Platz zu nehmen, Astorre auf der landwärtigen Seite, Lionetto bei der Mole, jeder umringt von seinen Kumpanen. Zwischen ihnen wurden Säcke und Kisten beiseite geräumt, um einen freien Platz zu schaffen, und irgend jemand stöberte zwei zerbrochene Ruder auf, die auf

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