Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
Vom Netzwerk:
niederprasselnden Hieben des anderen zu schützen. Und Simon war noch nicht erschöpft. Wer sein Gesicht sah, bemerkte, daß er lächelte. Zwischen zusammengepreßten Zähnen stieß er auch jetzt noch hin und wieder aufreizend höhnische Worte aus.
    Claes sagte nichts. Der übersprudelnde, schwatzhafte Kumpan, der Witzbold, der jedermann nachahmte, er schlurfte statt zu tanzen, stolperte, wenn er den Schlägen des anderen auswich. Die eine Hand begann anzuschwellen, wo Simon sie getroffen hatte, und unter dem blau verfärbten Flaum seiner Arme, den zerrissenen Hosen, die seine Schenkel kaum bedeckten, und an den halbnackten, von den Pflastersteinen zerschundenen Füßen war kein Fleckchen Haut unversehrt. Verächtlich beugte sich Simon vor, täuschte an und fuhr Claes mit dem zerbrochenen Ende seines Spießes über die Brust, was dem das durchnäßte Hemd bis zur Taille aufriß und eine klaffende Wunde hinterließ.
    Das Benehmen eines Flegels und die Talente eines Mädchens. Und eine Schande für den Vater.
    »Setz dem ein Ende, Astorre, ich befehle es dir. Setz dem ein Ende, oder ich tue es«, sagte Felix.
    Den Schaulustigen gefiel dies gar nicht. Sie mochten Claes, das wohl, und Simon schätzten sie nicht sonderlich. Doch das war schon etwas, einen Mann einen anderen quälen zu sehen, besser noch, als wenn im Karneval der Herzog ein paar Blinde auf dem Marktplatz Wildschweine zusammentreiben ließ. »Bringt ihn um!« kreischte eine Frau Simon zu.
    »Du hast gehört, Astorre«, sagte nun auch Julius. »Sei ein Mann und erkläre dich geschlagen, um Gottes willen. Willst du etwa, daß dieser Kerl Claes tötet?«
    Verstockt reckte Astorre das bärtige Kinn. »Würde nicht ein anderer ihm eine Tracht Prügel versetzen, täte ich es. Wie auch immer, er ist ein kräftiger Bursche. Und es geht um die Ehre der Charettys, stimmt’s? Gefiele Euch das, wenn die Witwe im Ruf stünde, nur Feiglinge zu beschäftigen? Nach dem, was dieses Vieh Lionetto vorhin gesagt hat?«
    Felix hob die Faust. Julius, der einen schrecklichen Augenblick lang eine ähnliche Rauferei zwischen dem Sohn seiner Dienstherrin und ihrem Söldner befürchtete, ging dazwischen und packte den sich wehrenden Felix. Plötzlich verstummten beide und beobachteten, was sich vor ihren Augen auf der Mole abspielte.
    Claes’ Gesicht und Gliedmaßen waren geschwollen, sein Atem ging schwer, seine Beine waren kraftlos, und er konnte jetzt nicht einmal mehr vorgeben, seinen Gegner zu taxieren oder den nächsten Schlag vorauszusehen. Er verteidigte sich nur noch und versuchte, mit seinem Spieß, den er mit beiden Händen umklammerte, sein Gesicht und seinen Körper zu schützen.
    Und dies erlaubte Simon, zu tun, was ihm beliebte. Er machte keinerlei Anstalten, dem anderen den Spieß aus der Hand zu schlagen oder ihn sonstwie zu entwaffnen, was dem Kampf ein Ende gesetzt hätte. Vielmehr ging er gezielt, doch ohne Hast vor, holte das eine Mal mit seinem Spieß aus und setzte ihn ein anderes Mal wie einen Rammbock ein, um seinen Gegner niederzuzwingen.
    Man konnte meinen, Claes sei nicht mehr bei Sinnen. Von Anfang an, so schien es Julius, hatte er sein Hirn kaum mehr eingesetzt als einer von Astorres ausgedienten Söldnern, der von zu vielen Schlägen auf den Helm blöde geworden war..
    Ein Geistesblitz mußte ihm aber doch durch den Kopf gezuckt sein. Claes wartete, bis Simon, der ihn einige Male mit dem Spieß gestreift hatte, die Waffe quer vor sich hielt, und faßte dann einer anderen Taktik folgend seinen Spieß mit weit ausgebreiteten Armen an beiden Enden. Kaum etwas ließ erkennen, was Claes als nächstes vorhatte. Nur seine Augen blitzten einmal kurz auf, und schon stürmte Simon lächelnd in die Richtung, in die Claes geblickt hatte.
    Offenbar konnte er sich nicht vorstellen, daß dieses kurze Augenflackern ein Täuschungsmanöver war. Claes stand plötzlich auf der anderen Seite. Nach wie vor hielt er den Spieß mit beiden Händen quer vor sich und rannte unversehens mit dem Mut der Verzweiflung auf seinen Gegner zu. Alle Kraft, die er noch hatte, legte er in diese eine Bewegung.
    Simon blieb keine Zeit, auszuweichen. Schon stürzte sich Claes auf ihn und rammte seinen Spieß mit ungeheurer Wucht gegen den des anderen. Dieser mußte zurückweichen, zuerst mit ein, zwei raschen Schritten, dann, als seine Füße Halt fanden, langsamer. Doch immer noch rückwärts, denn Claes war im Vorteil: Er war schwerer. Und dieses eine Mal hatte Simon keine

Weitere Kostenlose Bücher