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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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verschwinden. Worauf er allerdings noch warten mußte, bis der Vertreter der Medici, Francesco Nori, sie am folgenden Tag aufgesucht hatte.
    Die Gäste teilten sich, wie es üblich war, zwei Schlafkammern. In der einen nächtigten Astorre und der Engländer mit Claes, der auf dem Boden schlafen mußte; in der anderen Tobias und Julius mit Loppe. Irgendwann in der Nacht stolperte Tobias, einem Drang folgend, durch die Finsternis und wäre auf dem Rückweg vom Hof beinahe mit einer vermummten Gestalt zusammengestoßen, in der er erschrocken die Hausherrin erkannte. Sie murmelte ebenso erschrocken eine hastige Entschuldigung und eilte mit wehenden Gewändern davon. Bevor Tobias sich wieder niederlegte, machte er sich die Mühe, nach seinen Gefährten zu sehen. In seiner Kammer schnarchten Julius und Loppe, in der anderen lagen Astorre und sein Stellvertreter in tiefem Schlaf. Claes jedoch war nirgends zu sehen.
    Tobias schlief wieder ein. Als er erwachte, war das Zimmer leer, und draußen gab es ein großes Geschrei. Abwartend blieb er liegen. Nach einer Weile kam Julius herein und setzte sich zu ihm. »Hört Ihr das?« fragte er ironisch.
    »Ich wage nicht, mir vorzustellen, was geschehen ist«, sagte Tobias. »Aber laßt mich raten. Madame wurde Gewalt angetan.«
    Das Gesicht mit der geraden Nase und den klassischen Zügen entspannte sich. »Euch ist so etwas offenbar schon früher begegnet.«
    »Es kommt häufig vor«, sagte Tobias. »War’s diesmal vielleicht der Mohr?«
    »Wo bliebe da der Spaß?« fragte Julius bitter.
    Tobias setzte sich auf. »Doch nicht -«
    »Aber ja«, unterbrach Julius. »Claes.«
    »Und was passiert jetzt?«
    »Das kommt auf Monsieur Jaak an«, antwortete Julius. »Wenn er darauf besteht, wird der Junge für lange Zeit eingesperrt. Oder sie verstümmeln ihn.« Er hielt inne. »Astorre wird es zu verhindern suchen. Ich werde mehr tun. Ich werde dafür sorgen, daß es dazu nicht kommt.«
    Diese Art tödliche Ruhe kannte Tobias. »Ihr werdet ihm nicht helfen, indem Ihr Euch selbst der Bestrafung aussetzt. Astorre braucht nur zu schwören, daß der Junge die Schlafkammer nicht verlassen hat. Das kann er doch?«
    »Astorre und Thomas waren betrunken, als sie zu Bett gingen«, sagte Julius. »Das haben alle gesehen. Die beiden hätten es nicht einmal gemerkt, wenn Claes Esota zu ihnen ins Bett geschleppt und ihr dort Gewalt angetan hätte.«
    Tobias betrachtete ihn aufmerksam. »Bei unserer Ankunft erwähnte Monsieur Jaak eine ähnliche Geschichte und beschuldigte Euch. Zu Unrecht, nehme ich an. Madame de Fleury scheint so etwas also öfter zu erfinden. Und ihrem Ehemann ist das bekannt, wie anderen wohl auch. Ließe sich eine Anklage gegen den Jungen überhaupt halten?«
    »O ja«, meinte Julius. »Die Dame hat zwar einen gewissen Ruf, das wird Claes vor der schlimmsten Strafe bewahren. Aber der Rest bleibt ihm nicht erspart. Monsieur Jaak ist ein reicher Mann und genießt die Gunst des französischen Königs. Und Claes war nicht in seiner Kammer. Wie Ihr übrigens auch nicht.«
    »Ich bin Claes gefolgt«, sagte Tobias. »Wie kann man einen solchen Zufall erklären? Ich konnte nicht schlafen und ging in den Hof hinaus, wo ich ihm begegnete und ihn in ein Gespräch zog. Erst beim Morgengrauen, glaube ich, sind wir wieder ins Haus gegangen, und da er fürchtete, seine Zimmergenossen zu wecken, lud ich ihn zu mir in die Kammer ein. Ihr müßt ihn doch beim Aufwachen gesehen haben.«
    Julius gebräuntes Gesicht überzog sich mit einem feinen Rot. »Und wer war dann bei Madame de Fleury?«
    »Sie hat geträumt«, antwortete Tobias. »Die Unglückliche leidet offenbar unter derlei Dingen. Ich werde einen Beruhigungstrank verschreiben. Sobald ich unseren Freund Claes von seinen nächtlichen Unternehmungen unterrichtet habe. Habt Ihr eine Ahnung, wo ich ihn finden könnte?«
    Tobias, der ein beharrlicher Mensch war, entdeckte schließlich den Keller, in dem Claes eingesperrt war, und suchte sich unauffällig ein günstig gelegenes vergittertes Fenster in Bodennähe. Dort setzte er sich nieder und bekam auf sein leises Rufen sogleich eine ebenso leise Antwort. Er war noch rechtzeitig dran, um Claes einzubleuen, was er sagen sollte; aber nicht, um die erste Tracht Prügel durch die Fleuryschen Stallburschen zu verhindern. Es sei nicht schlimmer gewesen als das, erklärte Claes etwas zittrig, was er von Thomas gewöhnt sei. Und wo war er letzte Nacht nun wirklich gewesen, erkundigte sich Tobias milde. Er

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