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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Vor Julius, der sich als Claes’ Beschützer fühlte und Grund zu persönlicher Rache hatte? Vor einem von de Fleury mißhandelten Diener, von dessen Plan in der Küche zu hören war? Oder sogar vor Claes selbst, der zu einer ganz besonderen Art des Selbstschutzes zu greifen fürchtete, zu dem er selbst und Julius ihn in ihrer Verzweiflung ja gedrängt hatten?
    Aber nein. Das glaubte er nicht. Er glaubte nicht, daß sich Claes je verleiten ließ, entgegen seiner eigenen Ansicht zu handeln. Nur einmal hatte er ihn wahrhaft hilflos gesehen, am Kai in Damme. Sein jetziges Motiv war wahrscheinlich viel einfacher, als sich Tobias vorstellen konnte. Und trauriger. Ganz gleich, wer Jaak de Fleury oder seiner Ehefrau schadete, Claes würde immer die Schuld bekommen.
    Nachdenklich schob Tobias den Schlüssel in seinen Beutel und machte sich auf die Suche nach ihrem Gastgeber, um ihm die frohe Botschaft von Claes’ Entlastung zu bringen. Zunächst wollte de Fleury nicht glauben, daß niemand seiner Frau Gewalt angetan hatte. Ja, man konnte fast meinen, er wäre enttäuscht über diese Neuigkeit. Als aber Tobias ihm (in Latein) die wahre Natur des unglückseligen Leidens seiner Gattin erklärte, bekam er wieder Farbe, atmete ruhiger und ließ sich schließlich sogar herab, Tobias für die willkommene Diagnose zu danken.
    Nach einer Weile fiel de Fleury ein, daß Claes noch im Keller saß, und er gab Anweisung, ihn herauszuholen. Und auf die Frage nach einer Entschädigung für Claes versprach er, sich die Sache durch den Kopf gehen zu lassen. Doch dafür gab es kein Anzeichen. Claes’ ganze Entschädigung, wenn man es so nennen konnte, bestand darin, daß er seine Hände behalten durfte und sein Gesicht unangetastet blieb. Als er einige Zeit später aus dem Keller kam, war er vielleicht nicht ganz so unbekümmert wie gewohnt, aber doch bemerkenswert gelassen, und Tobias gab Loppe noch etwas Salbe. Danach verschwand Claes in Richtung der Stallungen, und die morgendlichen Geschäfte wurden aufgenommen, als wäre nichts geschehen.
    Niemand bat den Arzt, Madame de Fleury in ihren Räumen aufzusuchen. Das tat Tobias ein wenig leid. Er hätte ihr gern einige Fragen gestellt, zum Schutz seines Rufs in Anwesenheit von Julius und ihrem Mann. Nun ging er statt zu Madame de Fleury in die Küche, wo er ein Bier und eine Pastete bekam und sich lange mit der Frau namens Tasse unterhielt, während Julius mit den Vertretern der Medici verhandelte, für die Jaak de Fleury seinem eigenen Bekunden nach so wenig übrig hatte.
    Viele Leute mochten behaupten, daß sie die Medici nicht schätzten, aber fast niemand konnte sich erlauben, sie zu ignorieren. In London, Brügge, Venedig, Rom, Mailand, Genf und Avignon lenkten ihre hervorragend geführten Banken die europäischen Geschäfte über alle Grenzen hinweg. Und von seinem Palazzo in Florenz aus lenkte das Oberhaupt der Familie, der geniale, gichtkranke Cosimo de’ Medici, die Banken.
    Er hatte Söhne, die seine Nachfolge antreten konnten. Vor allem aber verfügte er über Generationen von ausgebildeten Kaufleuten, die von Niederlassung zu Niederlassung aufeinander folgten. Julius kannte einige von ihnen: die Familie Portinari mit Tommaso, dem Vielberingten, und seinen Brüdern, die in Mailand die Geschäfte führten; die Familie Nori mit dem alten Simone in London und dem jungen Francesco, der seit Jahren hier in Genf saß. Und auch den etwas älteren Sassetti, der soeben zusammen mit Francesco Nori eintrat, ein Mann knapp unter vierzig, mit römischer Nase und kurzgeschnittenem lockigen Haar. Er begrüßte Jaak de Fleury mit sonorer Stimme höchst formell ehe er sich umwandte und herzlich seine Bekanntschaft mit Julius erneuerte und Astorre auf die Schulter klopfte.
    Astorre hatte schon früher den Geleitschutz für Warensendungen übernommen. Diese Besprechungen waren ihm vertraut. Dennoch lag eine gewisse Anspannung in seiner Miene, was Julius daran erinnerte, daß der Hauptmann, wie er einmal prahlerisch erwähnte, selbst Geld in Genf angelegt hatte. Jaak de Fleury hatte ihm offenbar Sonderbedingungen eingeräumt und beteuert, daß sein Geld sicher sei, selbst wenn das Haus Charetty Schwierigkeiten haben sollte.
    Julius fand es aufschlußreich, daß Jaak de Fleury an Geschäften mit Astorre interessiert war, obwohl er den Hauptmann verachtete. Er war offenbar kein Mann, der sich in seinem Gewinnstreben von persönlichen Gefühlen beeinflussen ließ. Söldner, die ihr Geschäft

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