Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
Vom Netzwerk:
Markt hier zu lagern, eine hohe Summe wert war.
    Die für Italien bestimmten Güter wurden in einem anderen Bereich gelagert, ehe sie für die Überquerung der Alpen auf Packmulis umgeladen wurden. Die lothringischen Fuhrmänner mitsamt ihren Wagen und Zugtieren wurden ausbezahlt. Die Pferde für Pierfrancesco wurden vorsichtig zu den Ställen geführt und bei denen von Jaak untergestellt.
    Die dem Troß anvertraute Ware, die man Bruder Gilles nannte, wurde weniger vorsichtig behandelt. Er mußte auf dem allmählich sich leerenden Hof im schneidenden Wind warten, wo er die heiseren Stimmen des Verwalters der Fleurys und seiner Helfer mit anhörte und den schwächer werdenden Lärm der Männer in Rüstungen, die zu ihren Unterkünften geführt wurden. Schließlich befand sich niemand mehr im Hof außer dem Hauptmann Astorre, seinem Stellvertreter Thomas mit Claes, Julius mit seinem afrikanischen Diener sowie dem schweigenden, vor Kälte zitternden Sänger und Tobias. Und erst jetzt öffnete sich knarrend das schwere Portal des Hotel de Fleury: Ein Diener verbeugte sich, trat zurück, und sodann erschien auf der Schwelle die imposante Gestalt Jaak de Fleurys.
    Imposant, dachte Tobias Beventini, war das angemessene Wort. Nicht imposant wie die Päpste oder Dogen durch Rang und Ornat, obwohl dieser Mann über beides verfügte. Imposant in seiner Erscheinung und in seinem Auftreten: zum Befehlen geboren. Größer als die meisten anderen, war Jaak de Fleury gebaut wie ein Athlet im Vollbesitz seiner Kräfte. Seine Schultern waren breit genug, ein Gewand aus doppelt gefälteltem Seidensamt und gefuttert mit edelstem Zobel zu tragen, als wäre es federleicht. Das Gesicht unter dem breiten, mit Edelsteinen besetzten Hut war glatt, gebräunt und ungemein reizvoll: die Nase wie bei einem Franzosen fest und gerade; die Augen dunkel und klug; der wohlgeformte Mund ein einziges Lächeln; und dies Lächeln wurde durch kleine Fältchen unterstrichen: um die Mundwinkel und unter den hohen, kräftigen Wangenkochen, wo sie die Augen mit ihren dichten, langen Wimpern noch größer erscheinen ließen.
    »Astorre, Ihr armer Mann, wie spät Ihr dran seid«, sagte Jaak de Fleury. »Doch das war zu erwarten. Ihr habt sicher, so gut es ging, versucht, Euch von Eurer Dienstherrin loszureißen. Die Damen, Gott segne sie, was sind sie doch für Närrinnen. Ihr kommt besser mit in mein Kontor und - ah, da ist ja auch mein Konsulent. Ihr beide also. Meine Frau ist irgendwo im Haus, sie wird sich um die anderen kümmern. Ist das dort ein Heide? Der kommt mir nicht ins Haus. Und der Halunke da auch nicht.«
    »Sie kommen beide mit hinein«, erklärte Julius. Die Strenge seiner Stimme erstaunte Tobias. »Der eine ist mein Diener und Christ. Und der junge Mann ist Claes.«
    »Claes?« wiederholte Jaak de Fleury teilnahmslos. Sein Verwalter wartete auf Anweisungen und hielt Loppes Arm sowie Claes’ Schulter wie in einem Schraubstock.
    »Er hat unter Eurem Dach gewohnt.«
    Die leuchtenden Augen musterten Claes, vom zerbeulten Helm auf seinem Kopf über das schmutzige, abgenutzte Kettenhemd, den unregelmäßigen Saum seines Wamses und seine gestopfte Hose bis zu den abgewetzten, geliehenen Stiefeln.
    »Das haben viele«, erwiderte Jaak de Fleury. »Welcher war der hier? Der gestohlen hat? Aber das haben sie alle. Der behauptet hat, meine Frau habe ihn verführt? Nein, das wart Ihr, werter Julius, nicht wahr? Der mit den ungewöhnlichen Beziehungen zum Wirtschaftshof? Ja, das war Claes. Ich erinnere mich, ich habe ihn an einen Ort geschickt, wo das Pissen vielleicht zu etwas nütze ist. In die Färberei der Charettys. Wie ich sehe, hat er sich herausgemacht.«
    Julius hatte gesagt, Claes werde lächeln, und er behielt recht. Ein ganz und gar offenes Lächeln, getrübt weder von schlechtem Gewissen noch von Verlegenheit. »Das habe ich alles Eurer Erziehung zu verdanken, Großonkel.«
    »Großonkel?« Der Kaufmann wich zurück und begann dann übergangslos zu lachen. »Eine gezielte Beleidigung, nehme ich an. Auf Anweisung der Witwe, um mich in Verlegenheit zu bringen. Das wäre vielleicht gelungen, wenn du mein Bastard und nicht der meiner verstorbenen Nichte wärst. Doch so, wie die Dinge liegen, vergebe ich dir. Leichte Prügel, Agostino, und sperr den Burschen in die Scheune. Kommt. Ich friere.«
    »Monseigneur, das tun wir alle«, sagte Astorre heiser, aber höflich und streckte die kurzen Arme aus. Ohne erkennbare Anstrengung befreite er mit der

Weitere Kostenlose Bücher