Niccolòs Aufstieg
Haufen Leute, die barsche Fragen stellten. Im Kopf ging Astorre noch einmal die Zahlen durch. Das Schlimmste, was geschehen konnte, war, daß der Herzog ihn nicht nahm oder eine Summe bot, bei der kein Gewinn heraussprang.
Nein, das schlimmste wäre, wenn der Herzog Lionetto nähme und nicht Astorre. Aber wenn es dazu kam, konnte dem abgeholfen werden. Bei Gott! Dafür würde er persönlich sorgen.
Im Ospizio entwickelte sich unterdessen nichts wie geplant. Pigello Portinari, den Thomas auf Anhieb nicht leiden konnte, wollte sich nicht von einem unreifen Bürschchen oder einem dahergelaufenen Engländer, der sich wie ein Bauer ausdrückte, abfertigen lassen. Unterlagen der Medici waren keine Briefe vom Vetter vom Land. Was der Leiter der Genfer Niederlassung geschrieben, was sein Bruder Tommaso ihm aus Brügge mitzuteilen hatte, das waren Angelegenheiten, von denen Entscheidendes abhängen konnte. Ob es denn unter den Charetty-Leuten keinen gebe, der Italienisch spreche? Claes, stumm und rot im Gesicht, wurde losgeschickt, Tobias zu holen. Der verließ nur widerstrebend Bruder Gilles und ging, bereitwillig gefolgt von Claes, in die Stube hinüber, die man für Astorre und seine Gesellschaft reserviert hatte.
Er kannte kaum jemanden aus dem Stab des Hauses Medici, und der Mann, dem er sich gegenübersah, hatte wenig Ähnlichkeit mit Tommaso Portinari aus Brügge und war deutlich älter.
Und da dieser Portinari kein einfacher Untergebener war und zudem die Gunst der herzoglichen Familie genoß, war er prunkvoll gekleidet, mit so kostbarem Putz an seinem turbanähnlichen Kopfschmuck, daß sogar der gute Doktor Tobias staunte, dessen glänzender kahler Schädel wie immer unbedeckt war.
»Was gibt’s?« fragte er und wischte sich die blutigen Hände an seiner fleckigen Schürze ab.
Der Gast blieb gelassen. »Ich bin Pigello Portinari, ich vertrete hier in Mailand Piero und Giovanni de Medici. Ihr habt verschiedene Schreiben für mich. Wenn Ihr in mein Kontor kommen wollt, können wir sie ordnungsgemäß prüfen und Euch für Eure Dienste bezahlen.«
»Gut«, sagte Tobias. Mit dem Daumen wies er auf Claes. »Das hier ist Claes. Er kann Euch jetzt begleiten. Wenn Ihr jemand anderen wünscht, müßt Ihr warten.«
Portinari zog die Augenbrauen hoch. »Seid Ihr dabei, jemanden abzuschlachten?«
Thomas, der dem Italienischen zu folgen versuchte, runzelte angestrengt die Stirn. Claes’ Gesicht färbte sich noch mehr.
»Wenn ich einen Funken Vernunft besäße«, antwortete Tobias, »würde ich genau das tun. Versteht Ihr etwas von Musik?«
Pigello Portinari sah ihn nachdenklich an. »Es ist Sitte -«
»Euer Bruder jedenfalls nicht«, unterbrach Tobias. »Ich versuche gerade, das Bein eines krächzenden Klosterbruders zu retten, den Euer Bruder Tommaso Eurem werten Herrn für seine Hauskapelle nach Florenz schickt. Wir haben ihn lebend über die Alpen gebracht. Er ist lebend hier in Mailand angekommen. Wenn Ihr ihn jetzt sterben laßt, nur weil ich nach Eurer Pfeife tanzen soll, dann werdet Ihr das Cosimo de’ Medici erklären müssen. Und dem Herzog.«
»Dem Herzog?« erkundigte sich Pigello Portinari gelassen.
»Dem Herzog von Mailand. Eurem Herzog. Mein Onkel ist sein Leibarzt.«
»Euer Onkel? Giammatteo Ferrari da Grado?«
»Ganz recht. Mein Vater war der herzogliche Sekretär, der vor neun Jahren die amtliche Übertragung der Herzogswürde von den Visconti auf die Sforza beurkundet hat. Mein Name ist Tobias Beventini da Grado. Und dieser Bursche da heißt Claes, wie ich bereits sagte. Er spricht Italienisch. Nehmt ihn.«
»Mit Vergnügen. Was für ein Glück«, sagte Pigello Portinari, »daß wir einander begegnet sind und dieses Durcheinander auflösen konnten. Laßt den Jungen die Unterlagen einpacken und sagt ihm, daß er mit mir kommen soll. Und vielleicht können wir Euch später zu einem Besuch im Palazzo Medici überreden?«
»Irgend jemand wird sicher kommen«, gab Tobias kurz zurück. »Ihr müßt noch vier Pferde holen und nach Florenz weiterbefördern. Und natürlich auch Bruder Gilles. Das wird allerdings noch eine Weile brauchen. Entschuldigt mich jetzt.«
Damit ging er. Und ebenso Messer Pigello, mit Claes und seiner Mappe im Schlepptau. Da es an einem guten Astrologen fehlte, sah keiner das Unheilvolle darin.
Claes war immer noch nicht wieder da, als Julius und Astorre triumphierend aus dem Arengo zurückkehrten. Tobias, der nach einem wohlverdienten üppigen Abendessen mit reichlich
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