Niccolòs Aufstieg
das zusammengeflickte Auge dicht vors Gesicht. Aus dieser Perspektive erinnerte es an einen Krähenfuß und funkelte drohend, als Astorre sagte: »Ihr habt nicht erwähnt, daß Ihr der Neffe von diesem Giammatteo Soundso seid, wie immer er auch heißen mag. Vom Arzt des Herzogs.«
»Und der Sohn des Beventinus Soundso. Des berühmten herzoglichen Sekretärs«, fügte Julius mit feuchtglänzendem Gesicht hinzu.
Tobias setzte sich auf seinem Strohsack auf und goß sich einen fünften Becher Wein ein. »Ich habe Euch auch nicht nach Eurem Stammbaum gefragt. Außerdem hatte ich noch nicht entschieden, oh ich bei Euch bleibe oder nicht.«
»Vorsicht«, sagte Julius. Er riß Tobias den Becher aus der Hand und leerte ihn, bevor dieser es verhindern konnte. »Wollt Ihr etwa andeuten, daß wir die condotta nur Euren Verbindungen zu verdanken haben?«
Astorres Gesicht, das sich schon entfernt hatte, kam wieder näher.
»Nein«, antwortete Tobias. »Ich habe mich mit der ganzen Verwandtschaft schon vor Jahren überworfen. Nur darum wäre ich beinahe bei Lionetto geblieben. Ich wußte, daß man ihn ablehnen würde, wenn er in Mailand einen Vertrag zu bekommen versuchte. Ihr könnt Euch etwas darauf einbilden. Trotz Eurer Verbindung zu mir wurdet Ihr genommen. Nehmt noch etwas von meinem Wein.«
»Ich lasse welchen kommen. Wo ist Claes?« fragte Julius zerstreut.
»Er hat die Dokumente zum Palazzo Medici gebracht. Danach haben sie ihn zurückgeschickt, damit er die Pferde holt.«
»Ihr habt ihn die Pferde hinbringen lassen?« blaffte Astorre.
»Sie wurden von drei erfahrenen Stallburschen und Claes geführt. Er war der einzige, der wußte, wie eine Empfangsbescheinigung aussieht. Keine Sorge. Es ist alles gutgegangen. Die Burschen sind schon wieder da und haben Meldung gemacht. Claes kommt nach, sobald der Papierkram erledigt ist.«
»Ich glaube, ich hole ihn besser«, meinte Julius. »Palazzo Medici, richtig?«
»Eins dieser Elendsquartiere«, sagte Tobias benebelt. »Nein, da haben sie die Papiere hingebracht. Die Pferde waren für Cosimos Neffen. Tommaso hat ja weiß Gott genug Wirbel darum gemacht. Die Pferde sind zu Pierfrancesco de’ Medici gebracht worden.«
Julius, der jetzt nüchterner war als Tobias, setzte sich. »Tobias, Pierfrancesco de’ Medici ist in Florenz.«
»Ich weiß«, gab Tobias zurück. »Aber seine Frau ist hier. Sie wohnt bei ihrem florentinischen Bruder, der in Mailand ein großes Haus besitzt, wo er sich manchmal monatelang aufhält. Wie eben jetzt. Mit weitläufigen Stallungen. Die Familie züchtet nämlich Pferde.«
»Wer züchtet Pferde?« fragte Julius.
»Die Familie von Pierfrancescos Gattin. Die Acciajuoli«, sagte Tobias geduldig. »Pierfrancesco de’ Medici ist mit Laudomia Acciajuoli verheiratet. Sie ist die Cousine des Griechen mit dem Holzbein. Ihr erinnert Euch? Der Bärtige, der in Schottland und Brügge Geld gesammelt hat, um seinen Bruder vom Sultan freizukaufen.«
Tobias hielt einen Moment inne. »Und da wir gerade von Holzbeinen sprechen, Hauptmann. Es wird Euch sicher freuen zu hören, daß Euer Freund Bruder Gilles mit dem Leben davongekommen ist. In spätestens einem Monat wird er nicht nur sein Bein wieder gebrauchen, er wird uns auch verlassen können. Wenn wir nur Wein da hätten, dann könnten wir das feiern.«
Am nächsten Morgen ignorierte Julius den strömenden Regen und ritt mit dem Hauptmann und vier bewaffneten Männern zur Hofkanzlei, um die erste Abschlagszahlung auf den Vertrag abzuholen. Er erwartete eine Kassette voll Gulden. Statt dessen überreichte man ihm ein Blatt schweres Papier, das an Pigello Portinari adressiert war, den Leiter der Medici-Bank in Mailand.
»Geld?« sagte der Sekretär des Sekretärs. »Wir arbeiten nicht mit Geld. Laßt Messer Pigello Eure Wünsche wissen. Im alten Kontor neben Sant’ Ambrogio. Oder im neuen Palast neben dem Castello, Schwenkt vor der Stadtmauer nach rechts und haltet nach San Tomaso Ausschau.«
Astorre hob so ruckartig den Kopf, daß sein steifer Spitzbart wie ein Pfeil in die Luft stach. »Das letzte Mal -«
»Schon gut. Nehmt das Papier«, sagte Julius, »Die Medici werden Euch bezahlen. Das ist ihre Art des Geldverleihs. Der Herzog sorgt dann dafür, daß sie es mit Gewinn zurückbekommen.«
»Das ist Wucher!« Astorre funkelte den Sekretär des Sekretärs wütend an.
»Nein, ist es nicht. Es ist Gottes Lohn für einen redlichen und fleißigen Bankier, der den Geldmarkt im Auge behält. Machen
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