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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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Beth, die es tun muss, Dad, nicht du oder Nick oder
Reed. Das könnt ihr Männer nicht einfach beschließen.«
    Es war ein heikles Thema, über das sie schon oft gesprochen hatten.
Ihr Vater hörte die Anspannung in Kates Stimme.
    »Dann ist Beth also nicht der Grund, warum du so früh anrufst?«
    »Nein, Dad.«
    »Aber irgendwas hast du doch auf dem Herzen. Also raus damit.«
    Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen.
Wenn man es auf das Wesentliche reduzierte, war die Frage eigentlich ganz
einfach.
    »Dad, was stimmt nicht mit Niceville?«
    Langes Schweigen.
    »Niceville ist eine Kleinstadt im Süden, Schätzchen. Im alten Süden.
Hier ist die Vergangenheit lebendig, Kate. Das ist alles.«
    »Dad, ich liebe dich, das weißt du. Aber es passieren seltsame
Dinge, und du musst ehrlich zu mir sein. Dieses eine Mal.«
    Sie hörte ihn atmen.
    Sie konnte beinahe seine Gedanken hören.
    Wie er nach einem Schlupfloch suchte.
    »Dieses eine Mal? Jetzt bist du aber streng.«
    »Tut mir leid, Dad. Du weißt, was ich meine. Niceville. Die
Familien. Warum alles so ist, wie es ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Verstehst du das wirklich?«
    In seiner Stimme war Resignation.
    »Ja, Kate, ich verstehe es wirklich. Du sagst, es passieren seltsame
Dinge. Was für Dinge?«
    Sie sagte es ihm.
    Er hörte ihr zu, ohne sie zu unterbrechen.
    Kate schilderte es so einfach und klar, wie sie konnte. Als sie
geendet hatte, sagte er nichts. Sie wartete.
    »Dann ist Gray Haggard also verschwunden?«
    »Spurlos.«
    Ihr Vater schwieg lange.
    »Kate«, sagte er schließlich, und seine Stimme klang müde und
traurig, »ich will dir etwas erzählen, das du deinem Bruder und deiner
Schwester nie verraten darfst. Kannst du mir das versprechen?«
    »Ich … ja, das kann ich. Wenn du es willst.«
    »Du weißt, dass Reed denkt, eure Mutter sei durch einen betrunkenen
Autofahrer ums Leben gekommen.«
    Kate verstand, was er damit sagen wollte.
    »Du meinst, es war nicht so?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte ein betrunkener Fahrer etwas
damit zu tun. Aber ich weiß, dass sie sehr schnell gefahren ist, als es
passiert ist, gefährlich schnell.«
    »Ich habe davon gehört. Das OnStar-System?«
    »Ja. Es ist ja GPS -gestützt, und die bei OnStar
haben Computer, die ermitteln können, wie schnell ein Fahrzeug im Augenblick
eines Unfalls war. Anhand der Zeit, die der Wagen von einem Punkt zum anderen
gebraucht hat. Bist du sicher, dass du das wirklich wissen willst, Kate? Wenn
du es weißt, wirst du dir vielleicht wünschen, du wüsstest es nicht.«
    »Ist schon gut, Dad. Ich halte das aus.«
    Eine Pause.
    »Deine Mutter war mit mehr als zweihundert Stundenkilometern
unterwegs, als OnStar den Überschlag registriert hat. Und jetzt kommt etwas,
das dir nicht gefallen wird, Schätzchen.«
    »Dad. Bitte.«
    »Wenn ein Fahrzeug so viel schneller fährt als erlaubt, schaltet
sich manchmal jemand von OnStar ein. Manchmal rufen die dann an, um sich zu
erkundigen, ob mit dem Fahrer alles in Ordnung ist. Oder ob mit dem Wagen etwas
nicht stimmt – es könnte ja sein, dass das Gaspedal klemmt. Oder ob der Fahrer
betrunken ist oder einen Herzanfall hat oder entführt worden ist. So was eben.
Als der Wagen deiner Mutter die zweihundert Stundenkilometer überschritt, das
war ungefähr eine Minute vor dem Unfall, hat eine Frau von OnStar versucht, sie
zu erreichen. Sie hat Lenores Handy angerufen.«
    Diesen Teil der Geschichte hatte Kate noch nie zuvor gehört.
    »Hat Mom sich gemeldet?«
    »Ja.«
    »Was hat sie gesagt?«
    Ihr Vater schwieg so lange, dass sie schon glaubte, er werde nie
darauf antworten.
    »Lenore sagte: Sie benutzt die Spiegel . Das hat sie
mehrmals gesagt, ganz panisch.«
    Kate versuchte, es zu verstehen, doch es gelang ihr nicht.
    » Sie
benutzt die Spiegel ? Was soll das heißen?«
    »Seit ihrem Tod habe ich immer wieder darüber nachgedacht. Die
einzige Erklärung ist, dass sie eine Art Schlaganfall hatte und im Rückspiegel
irgendetwas gesehen hat, was ihr schreckliche Angst gemacht hat.«
    »Du meinst, sie ist so schnell gefahren, weil sie vor etwas, das sie
im Rückspiegel gesehen hat, fliehen wollte? Aber das ist doch verrückt, Dad.
Verrückt. Dieser Polizist von der State Patrol, Charlie Danziger, der bei ihr
war, als sie gestorben ist, hat uns nie was davon gesagt.«
    »Doch. Zu mir.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Bei der Beerdigung. Im Garten. Sie hat es immer noch gesagt,
als sie gestorben ist. Charlie Danziger war bei ihr,

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