Niceville
hatte. Dann meldete Jimmy
sich wieder.
»Warte bitte noch.«
»Okay. Aber beeil dich. Ich muss mal pinkeln.«
Kurzes Schweigen und dann die Stimme von Mavis Crossfire.
»Coker, bist du dir sicher?«
»Ja, Mavis, ich bin sicher, dass er eine Ladehemmung hat.«
»Er kommt mir nicht vor wie einer, der Ahnung von Waffen hat. Wie
lange braucht ein Amateur, um die Ladehemmung zu beseitigen, durchzuladen und
auf jemanden zu schießen, der zur Tür hereinkommt?«
»Herrje, Mavis. Wo bist du denn? Ich kann dich nicht sehen und kaum
hören.«
Stille, dann ein heiseres Flüstern.
»Wir sind vor der Tür zum Rektorat. Auf dem Korridor. Wir haben eine
Ramme.«
Coker mochte Mavis
Crossfire sehr.
Jeder mochte sie.
Sie hatte Mumm und war Polizistin durch und durch. Er wollte nicht,
dass ihr etwas passierte – lieber würde er diesem durchgeknallten Hausmeister
das Licht ausblasen.
Er sah durchs Zielfernrohr, nahm die Schläfe des Mannes ins
Fadenkreuz, schob den Finger durch den Abzugsbügel, zog ganz leicht am Abzug …
und spürte das Einrasten des Stechers. Als Scharfschütze war er berechtigt,
nach eigenem Ermessen zu schießen … Er konnte es tun … Tick … tick …
Verdammt.
Er ließ den Abzug los und entspannte sich.
»Okay, wie wär’s damit: Ich nehme ihn ins Visier, wir zählen von
fünf runter, bei null brecht ihr die Tür auf und stürmt rein, aber passt auf,
dass ihr nicht in mein Schussfeld geratet. Ich will einen sauberen Kopfschuss
für den Fall, dass er die Ladehemmung beseitigt. Wisst ihr, wo ich bin?«
»Ja«, kam die Antwort im Flüsterton. »Du bist gegenüber, im ersten
Stock, hinter dem offenen Fenster über der Pizzeria.«
»Okay. Sollen wir’s so machen? Seid ihr sicher?«
»Solange du dir mit der Ladehemmung sicher bist. Denn wenn du dich
irrst und ich draufgehe, wird mein Geist kommen und sich auf deinem Dachboden
einnisten.«
»Ich habe keinen Dachboden, du wirst dich in der Garage einnisten
müssen. Alles bereit?«
Vor seinem geistigen Auge sah Coker sie im Korridor, wie sie
einander zunickten und sich bereit machten.
»Wir sind bereit.«
»Gut. Also los, Mavis. Countdown. Fünf … vier … drei …«
Er legte das Auge ans Okular, atmete ruhig ein, legte den Finger an
den Abzug und atmete langsam aus.
»Zwei … eins …«
Kate nimmt ihren Vater in die Zange
Unterwegs zum Labor, wo er Delias Katze untersuchen lassen
wollte, rief Nick bei Kate an und erreichte sie auf dem Heimweg.
»Kate, wo bist du?«
»Beinahe zu Hause. Und du?«
»Auf dem Weg zum Labor. Mit einer übel gelaunten, blutbefleckten
Katze, die ungefähr vierzig Pfund wiegt.«
»Ein Tag wie jeder andere also, was?«
Nick lachte, doch sie hörte einen eigenartigen Unterton in seiner
Stimme.
»Ist alles okay, Baby?«
Nick wollte sagen: Ja, alles okay, doch dann dachte er: Was soll’s?
Sie hätte ihn nicht gefragt, wenn sie nicht gemerkt hätte, dass irgendetwas ganz
und gar nicht okay war.
Beau sah ihn von der Seite an, offensichtlich noch immer erschüttert
und besorgt über das, was er im Keller von Delias Haus in Nicks Gesicht gesehen
hatte.
Nick nahm an, dass Beau die ersten Haarrisse in seinem Idol
bemerkte. Gut. Beau musste selbst ein guter Polizist werden – er konnte nicht
immer der Gehilfe eines anderen bleiben.
Kate wartete noch immer auf eine Antwort.
Nick erzählte ihr die Geschichte in großen Zügen, ohne sie zu
redigieren oder herunterzuspielen. Sie stellte ein paar gute Fragen, hörte aber
in erster Linie zu.
Die Tatsache, dass Beau dabei gewesen war, machte es leichter zu
erzählen, und als Nick geendet hatte, waren sie beide gespannt auf Kates
Antwort – möglicherweise konnte sie sich einen Reim darauf machen, vielleicht
weil sie eine Frau war.
»Diese schwarze Gestalt, die du im Spiegel gesehen hast …«
Nick wurde es eng um die Brust.
Sie legte den Finger genau in die Wunde.
»Das hört sich an wie etwas, das du im Nahen Osten gesehen haben
könntest, nicht?«
»Ja«, sagte Nick und starrte auf den Verkehr. Er war sich sehr
bewusst, dass Beau neben ihm saß und die Katze festhielt, als wollte sie ihn
jeden Augenblick beißen. Dabei machte sie einen ganz ruhigen Eindruck. Sie
hatte es sich auf Beaus Schoß bequem gemacht und war sogleich eingeschlafen.
»Ich meine, Frauen in Burkas sehen doch so aus, oder? Bloße
Gestalten in Schwarz. Ist doch klar, dass du das in dieser schwarzen Spiegelung
gesehen hast.«
»Stimmt«, sagte Nick und hoffte, sie würde es dabei
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