Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
Vom Netzwerk:
belassen.
    »Aber du glaubst, dass da noch was anderes ist, nicht?«
    »Zum Beispiel?«
    »Wie du klingst, würde ich sagen, du denkst, dass das Haus schuld
ist. Dass das Haus irgendwie bewirkt, dass du Dinge aus deiner Vergangenheit
siehst, Dinge, die dich beunruhigen.«
    Nick schwieg eine Weile.
    »Ja«, sagte er dann. »So hat es sich angefühlt.«
    »Gibt es an einer Gestalt in einer Burka denn etwas, das dich
beunruhigen würde?«
    Schweigen.
    »Ja.«
    Das
Wadi Doan, eine grüne Falte in der verhornten braunen Haut des Jemen, eine
Reihe Dörfer, so alt wie die Welt. Drei Gestalten mit dunklen Niqabs, sie
kommen näher, sie bewegen sich ganz falsch, sie tragen die falschen Schuhe, sie
stolpern über Steine, ihr Blick ist in die Ferne gerichtet, es sind starrende
Roboter, und sie nähern sich dem Humvee, dessen Motor im Leerlauf läuft.
    Genau
wie Selbstmordattentäter.
    Das
Wadi Doan.
    »Ich werde dich nicht danach fragen –«
    »Danke, Kate. Das war eben dieser Krieg. Wir haben sie SBO genannt – Schwarze Bewegliche Objekte.«
    Diese Sache damals im Krieg war noch immer das Einzige, worüber sie
nicht sprechen konnten. Vielleicht würde Nick eines Tages damit anfangen. Das
hatte Tig gesagt, als sie ihm in der Bar des Moot Court einen Mojito nach dem
anderen ausgegeben hatte.
    Sie bezweifelte das allerdings, und wenn sie ehrlich war, wollte ein
Teil von ihr es auch gar nicht wissen.
    »Aber die SBO -Sache erklärt doch, warum diese
Spiegelung dir so sehr zugesetzt hat – du warst angespannt, ihr habt nach einer
verschwundenen Frau gesucht. Hat Beau auch etwas gesehen?«
    Nick sah Beau an und gab die Frage weiter. Beau schüttelte den Kopf.
    »Nein. Beau nicht, nur ich. Mavis Crossfire sagt, sie hat was
gesehen, wollte aber nicht verraten, was. Und dann war da noch einer von Armed
Response – Dale Jonquil –, und der sagt, er hätte eine junge Frau in einem
grünen Kleid gesehen, die eine Katze auf dem Arm hatte.«
    Kate erschrak.
    Sie dachte an den Traum in der vergangenen Nacht: ein Mädchen in
einem grünen Kleid. Das eine Katze auf dem Arm gehabt hatte.
    Nick dachte ebenfalls daran.
    »Hast du nicht heute Nacht von einem Mädchen in einem grünen Kleid
mit einer Katze geträumt?«
    Sie zögerte.
    Es hatte keinen Sinn, es zu leugnen.
    »Ja, hab ich.«
    »Na, das ist doch jetzt ein bisschen unheimlich, oder?«
    »Ja, stimmt. Hat dieser Dale Jonquil die Katze gesehen, die ihr
dabeihabt?«
    »Ja, wir haben sie ihm gezeigt, als wir dort weggefahren sind. Es
ist dieselbe, die er in dem Spiegel gesehen hat. Aber er kennt sie ja: Sie
heißt Mildred Pierce und ist Delias Katze, und Dale fährt in der Gegend immer
Patrouille, also ist das nicht verwunderlich. Ihm gefällt Delias Haus aber auch
nicht.«
    Er sah zu Beau, musterte ihn, studierte seinen Gesichtsausdruck.
    »Und Beau ebenfalls nicht.«
    »Hat Beau eine junge Frau mit einer Katze gesehen?«
    Beau schüttelte den Kopf.
    »Nein.«
    »Aber das Bild auf der Kellerwand hat er gesehen. Habt ihr versucht,
es zu fotografieren?«
    »Ja, haben wir beide. Beau hat ein paar Bilder auf dem Handy.«
    »Sind sie was geworden?«
    »Ja. Es ist ein kurzes Video.«
    »Kann man was darauf erkennen?«
    »Wir haben’s noch nicht ernsthaft versucht. Beau will die Aufnahme
auf einen Computer überspielen und ein MPEG daraus machen.«
    »Aber ihr habt es beide gesehen?«
    »Ja. Wir beide.«
    »Was habt ihr gesehen?«
    Nick zögerte.
    Leute,
die auf einem Feld arbeiten.
    Särge.
    Schädel.
    »Das Bild hat sich verändert. Erst war es eine Farm, und dann war es
auf einmal die Straße vor dem Haus.«
    »Ich würde mir das gern mal ansehen.«
    »Ich mache eine Kopie und bringe sie mit.«
    Schweigen.
    »Kate, wirklich: Das Haus ist …«
    »Seltsam?«
    »Nein. Eher verrückt.«
    Sie waren beim Labor angekommen.
    »Wir sind da, Kate. Ich muss los. Ich liebe dich.«
    »Ich dich auch, Baby.«
    Sie bog in die Einfahrt des großen alten Holzhauses ein,
in dem ihre Eltern dreißig Jahre lang gelebt hatten.
    Dillon
und Lenore.
    Niceville.
    Sie stieg aus dem Geländewagen und vergaß nicht, die Glock aus dem
Handschuhfach zu nehmen. Drinnen war es warm und muffig, doch am Himmel brachen
die Wolken auf. In dem alten Haus herrschte Halbdunkel, überall durchsetzt von
farbigem Licht, das durch die Buntglasscheiben fiel.
    Sie dachte darüber nach, was Nick in Delias Haus erlebt hatte, und
sah auf die Uhr. Es war Samstagnachmittag, ihr Vater würde in seinem Büro in
der Bibliothek sitzen und

Weitere Kostenlose Bücher