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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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Semester konnte das Thad Llewellyn anhängen, ohne ins
Schwitzen zu kommen.
    Aber was ihm Sorgen machte, während er dasaß und zusah, wie Officer
Martinez seinen Wagen auseinandernahm, war dieser verdammte Learjet, der
inzwischen abgehoben hatte und mit neunhundert Stundenkilometern davonflog, an
Bord die Raytheon- CD mit den geheimen Daten. Er würde
irgendwas Drastisches unternehmen müssen. Was genau das sein könnte, musste er
sich noch überlegen.
    Bis dahin blieb ihm nichts anderes übrig, als Officer Martinez
zuzusehen, wie sie, bis in die letzte Faser ihres kompakten Körpers von Eifer
durchdrungen, im Kofferraum wühlte.
    Verdammte
Flintenweiber.
    Die
waren doch alle bloß –
    Sie rief den anderen etwas zu.
    Dann drehte sie sich um und trat mit großen Schritten und grimmiger
Zielstrebigkeit an das hintere Fenster des Streifenwagens. Sie knallte etwas
gegen das Glas. Dabei grinste sie auf ihn herab wie ein Hai. In der Hand hielt
sie ein dickes Bündel druckfrischer Hundert-Dollar-Scheine. Auf der Banderole
war das Logo der First Third Bank.
    Die anderen Bullen kamen hinzu, redeten mit einem Mal ganz schnell
und hängten sich an ihre Funkgeräte. Erst da ging Byron Deitz langsam auf, wie
tief und gründlich er in der Scheiße saß.

Tony Bocks Sonntag ist denkwürdig
    Bock parkte den Wagen auf dem winzigen Fleck, den Mrs
Kinnear ihm zugewiesen hatte, stieg aus und schlug, in Gedanken versunken, die
Tür so laut zu, dass Mrs Kinnears Hund aufwachte. Durch die dünne Bretterwand
des Hauses hörte Bock das hysterische Kläffen und dann das schrille Kreischen,
mit dem Mrs Kinnear den kleinen Scheißer zum Schweigen bringen wollte. Viel
Glück , dachte Bock und stieg die Treppe zu seiner Wohnung über
der Garage hinauf. Er ging die Ereignisse der vergangenen zwei Tage durch und
fragte sich, wie viel er für die geleisteten Dienste aus Andy Chu würde
herausholen können.
    Du
lieber Himmel , dachte er, was in sechsunddreißig
Stunden doch alles passieren kann. Als er den Schlüssel im
Schloss drehte, überlegte er, ob wohl noch ein paar Stellas im Kühlschrank
waren. Er öffnete die Tür, trat ein – Schatz, ich bin wieder
da-ha – und spürte etwas Kaltes, Metallisches an seinem
Hinterkopf. Auf dem schwarzen Ledersofa saß, in der Hand eins seiner Stellas,
eine junge Frau und lächelte ihn an. Es war kein nettes Lächeln. Eine tiefe,
raue Stimme, sehr dicht neben seinem Ohr und voller Zigarettenrauch, sagte:
»Darf ich vorstellen: Tony Bock – Twyla Littlebasket.«
    Twyla hob die Flasche und lächelte schmallippig. Eine starke Hand
packte Bock an der Schulter und drehte ihn um. Vor ihm stand der
Clint-Eastwood-Bulle, den er gestern Nachmittag im Fernsehen gesehen hatte, der
Scharfschütze mit dem silbergrauen Haar, der bei der Geiselnahme in der Saint
Innocent dabei gewesen war. Bocks Beine versagten den Dienst, und er wollte zu
Boden sinken, doch Coker hatte ihn eisern im Griff. Er zerrte ihn zum Sofa,
schob ihn auf den Platz neben Twyla und setzte sich in Bocks schwarzen
Ledersessel. In der Hand hielt er einen großen Revolver aus gebläutem Stahl.
    Er zündete sich langsam und umständlich eine Zigarette an und blies
den Rauch mit stiller Genugtuung in Richtung Bock. Der schluckte, wollte etwas
sagen, brachte es jedoch nicht heraus. Seine Lippen bewegten sich, doch was er
von sich gab, war bloß ein ersticktes Quietschen. Es klang, als hätte er einen
Wellensittich verschluckt.
    Coker hob abwehrend die Hand und lächelte.
    »Sei so nett und halt die Fresse. Du weißt, warum wir hier sind. Wir
alle wissen, warum wir hier sind. Twyla, willst du noch irgendwas sagen, bevor
wir anfangen?«
    »O Gott«, quietschte Bock. Er spürte, wie seine Knochen weich und
seine Wangen schlaff wurden. Sein Kopf fühlte sich an wie ein Heliumballon, und
das Zimmer löste sich in einem blendend hellen Licht auf. Er kippte nach rechts
und sackte mit flatternden Lidern über der Armlehne des Sofas zusammen. Tony
Bock war vorerst nicht mehr zu sprechen. Twyla musterte ihn, legte die Spitze
des Zeigefingers an seinen Hals und wischte sie dann an ihrer Jeans ab. Sie sah
Coker an.
    »Ohnmächtig.«
    Coker ließ den schweren Revolver am Zeigefinger herumwirbeln und
grinste Twyla durch den Rauch hindurch an.
    »Ganz harter Bursche.«
    »Willst du ihn umlegen?«
    Coker ließ den Revolver erneut wirbeln.
    Ihm gefiel das.
    »Ich weiß noch nicht. Willst du denn, dass ich ihn umlege?«
    Twyla betrachtete den schlaffen Haufen neben sich.

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