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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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Nach einer Weile
schüttelte sie den Kopf.
    »Nein. Er ist einfach zu jämmerlich.«
    »Falls du ihn kastrieren willst – das wird eine ziemliche Sauerei.
Außerdem brauchen wir dazu eine Blechschere, ein paar Tücher und vielleicht
eine Rolle Klebeband.«
    Er sprach nur halb im Scherz.
    Sie dachte darüber nach.
    »Wir könnten ihn vor Gericht stellen.«
    »Gericht? Was für ein Gericht?«
    »Vor dein Gericht. Richter Coker, erste und letzte Instanz.«
    »Warum? Wozu? Donny Falcone ist wenigstens ein reicher Zahnarzt,
aber dieser Typ ist bloß ein mieser kleiner Perverser.«
    Twyla betrachtete Bocks bleiche Haut und das aufgeschwemmte Gesicht.
Sie hörte seinen schweren Atem. Dann sah sie sich im Raum um: Computer,
Flachbildschirme, Kurzwellenradio, Mobilfunkgerät, Drucker, Scanner, Regale
voller Daten- CD s.
    »Vielleicht ist er aber auch mehr als das. Vielleicht ist er ein geschäftstüchtiger mieser kleiner Perverser. Wenn ich mir ansehe, was hier herumsteht, kann ich
mir nicht vorstellen, dass Bluebell und ich die Einzigen sind, mit denen er so
was gemacht hat. Ich glaube, das ist sein Hobby.«
    Coker dachte darüber nach. Da war etwas dran.
    »Wenn er aufwacht«, sagte er in Gedanken versunken, »sollten wir ihn
vielleicht mal fragen, was er sonst noch alles gemacht hat.«
    »Und bei wem.«
    Coker blickte auf. Er sah sie in einem ganz neuen Licht und stellte
fest, dass er großen Gefallen an Twyla fand. Man wusste nie, was das Leben einem
brachte. Sie war ein schlaues Mädchen. Sie hatte Tiefe. Man würde sie im Auge
behalten müssen, aber sie hatte Tiefe.
    Also warteten sie und hörten Bocks Schnaufen und Röcheln. Twyla
schenkte noch zwei Stella ein, und Coker rauchte zwei Zigaretten.
    Nach einer Weile kam Bock zuckend und keuchend zu sich, mit einem
Quietschen, das Mrs Kinnears Köter alle Ehre gemacht hätte. Seine Augen
blinzelten, seine Hände flatterten wie kleine rosige Flossen. Er setzte sich
auf, sah die beiden dasitzen und verarbeitete die Tatsache, dass das alles
nicht bloß ein schrecklicher Traum gewesen war. Dann begann er schniefend zu
weinen.
    »O Gott«, sagte er schließlich und wischte sich die Nase mit dem
Handrücken ab. »Was wollen Sie von mir?«
    »Was hast du denn?«, fragte Coker, ließ den Revolver um den Finger
wirbeln und grinste Bock an. Bocks Gesicht hellte sich ein wenig auf. Er
schöpfte Hoffnung.
    »Sie meinen Geld?«
    »Nein. Geld haben wir schon genug.«
    »Was dann?«
    »Twyla hält dich für einen geschäftstüchtigen jungen Mann. Mich würde
interessieren: Hat sie recht?«
    »Ich weiß nicht, was sie meint.«
    Coker verdrehte die Augen.
    »Natürlich weißt du, was sie meint. Twyla meint, dass sie nicht die
Einzige ist, mit der du irgendwelche schmutzigen Sachen gemacht hast. Sie
meint, es ist eine Art Hobby von dir, in deinem gemütlichen kleinen Zimmer zu
sitzen und irgendwelche schmutzigen Sachen zu machen. Sie meint, dass dir so
was Spaß macht. Und weißt du was? Ich glaube, sie hat recht.«
    Coker beugte sich vor, so dass sein Gesicht ganz dicht vor dem Bocks
war.
    »Ich mache dir einen Vorschlag, Tony. Ich möchte gern nützliche
Dinge wissen. Wenn du mir was Nützliches sagen kannst, werde ich Twyla
vielleicht davon abhalten, sich näher mit dir zu befassen. Wusstest du, dass
sie eine Cherokee ist? Ich glaube, das waren die, die das Skalpieren erfunden
haben, stimmt’s, Twyla?«
    »Nein, das waren die Huronen. Wir haben Nasen und Lippen gesammelt.«
    Coker lächelte Bock an. Bock blinzelte, sah zu Twyla, zuckte unter
ihrem harten, kalten Blick zusammen, schluckte und erzählte ihnen alles, was er
über Andy Chu wusste.

Nick und Kate und Kate und Nick
    Sie frühstückten Toast, Marmelade und schwarzen Kaffee,
die Zeitung lag auf dem Tisch. Keiner von beiden hatte geschlafen. Sie waren
aufgeblieben und hatten die ganze Nacht geredet. Nick sollte mit dem
Hubschrauber zum Virginia Military Institute fliegen und Dillon Walkers
Verschwinden untersuchen, aber er wollte noch nicht gehen, und Kate wollte ihn
noch nicht gehen lassen. Der Morgen war sonnig, aber frisch und kühl, und es
war schwer, die Szenerie vor dem Fenster mit den Ereignissen der vergangenen
Nacht in Einklang zu bringen. Nick überflog die Titelseite der Zeitung, und
Kate sah ihm zu und dachte an das, was geschehen war. Sie versuchte, daraus
etwas zu machen, das sie verstehen und in ihre gewohnte Sicht der Welt
einarbeiten konnte. Bis jetzt war sie nicht sehr weit damit gekommen. Nick
stutzte, warf

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