Niceville
Tatsache, dass man in seiner Ausübung ums Leben kommen konnte.
Hin und wieder wurde einer im Dienst getötet. Coker fand, dass ein
solcher Tod wie die Peperoni auf einer Pizza war: Er machte den normalerweise
sterbenslangweiligen Patrouillendienst aufregend und spannend.
Jedenfalls, so wie die Dinge lagen, würde Billy Goodhew wohl ohne
Kopf beerdigt werden. Der Sarg war bereits zugeschweißt, und Coker, Mickey
Hancock und Jimmy Candles als die dienstältesten Polizisten der Einheit fühlten
sich verpflichtet, den Familien, die mit etwa fünfzig anderen Leuten,
hauptsächlich Freunden und Verwandten, in der Lobby des Krankenhauses saßen,
ihr Beileid auszusprechen.
Reporter waren nicht zugelassen.
Die wimmelten auf dem Parkplatz herum wie ein kreisender Schwarm
Vampirfledermäuse. Dort standen auch zehn oder elf Übertragungswagen örtlicher
und überregionaler Fernsehsender.
Auf dem Weg von seinem Streifenwagen zum Eingang wurde Coker von
einem schmächtigen, aber flinkzüngigen und allgemein verhassten Fernsehreporter
aus Cap City abgefangen. Er hieß Junior Marvin Felker Junior – die Polizisten
nannten ihn, aus Gründen, die längst in Vergessenheit geraten waren, nur Mother
Felker – und trat Coker in den Weg, um ihm ein dickes, pelziges Mikrofon unter
die Nase zu halten und ihn zu fragen, wie es sich anfühle, wenn vier liebe
Kollegen an einem einzigen Tag umgebracht worden seien.
Coker war immer bereit, Mother Felker zu einem schlechten Tag zu
verhelfen, und so stopfte er ihm sein dickes, pelziges Mikrofon in den Mund,
bis Jimmy Candles und Mickey Hancock ihn schließlich bändigen konnten. Felker
lag auf dem Rücken, blutete aus dem Mund und schrie irgendetwas von Anzeige,
Schmerzensgeld und Pressefreiheit. Scheinwerfer strahlten, Mikrofone wurden
geschwenkt, und all die dümmlichen Medienheinis – darunter auch Felkers eigene
Kameraleute – standen herum und hatten keinen Finger gerührt, um Coker
zurückzuhalten, immerhin aber die ganze Szene gefilmt.
Im Krankenhaus war es gleißend hell, und es roch nach Lysol,
Windeln, abgestandenem Kaffee und Zigarettenrauch. Viele gerötete Gesichter,
viele Uniformen – State Police, County Police, Niceville Police Department, ja
sogar ein paar Typen in Anzügen, die nach FBI aussahen und sich ein wenig abseits hielten –, und natürlich weinten und
klagten alle und starrten mit jenem benommenen Gesichtsausdruck ins Leere, den
die Leute immer bekamen, wenn irgendetwas mit großer Wucht über sie
hereingebrochen war. Vier tote Bullen, einer von der County Police. Es war, als
hätte ein Asteroid eingeschlagen.
Coker, Jimmy Candles und Mickey Hancock hielten kurz inne, strafften
sich, gingen zu den Angehörigen und taten mannhaft alles, was sie mannhaft tun
konnten, um untröstliche Menschen zu trösten und ihnen zu versichern, der lange
Arm des Gesetzes werde die feigen Mörder zermalmen.
Reed Walker war ebenfalls da. Er trug noch immer die schwarze Montur
und die Kevlarweste, mit der er aussah, als gehörte er zu einem
Einsatzkommando. Er war ein hochgewachsener, schlanker Mann mit glänzendem
schwarzem Haar und dem guten Aussehen eines Filmstars, das nur durch den
kühlen, gleichgültigen Blick und den harten Mund geschmälert wurde.
Walker fuhr einen Verfolgungswagen der State Patrol und hatte auch
nie etwas anderes tun wollen. Er war tollkühn, ein Adrenalin-Junkie, und nach
Cokers Einschätzung erwartete ihn ein früher Tod. Reed sah Coker und ging zu ihm.
Er glitt durch die Menge wie ein mattschwarzer Barrakuda.
»Reed«, sagte Coker. »Tut mir leid, das mit Darcy.«
Coker wusste, dass Reed Walker wegen Darcy keine Tränen vergießen
würde. Er wirkte im Gegenteil nur noch kälter, sofern das überhaupt möglich
war. Die beiden waren, wie Coker sich erinnerte, auf der Chase School in
dieselbe Klasse gegangen, und Darcy hatte in dem blauen Magnum gesessen, den
Coker mit dem zweiten Schuss erledigt hatte. Schade eigentlich. Aber nicht zu
ändern.
Reed schüttelte ihm die Hand und sah sich um.
»Sie haben doch eine Scharfschützenausbildung, Sir«, sagte er leise,
und sein respektvoller Ton war so dünn wie eine Eisblume auf einer
Fensterscheibe. »Was ist das für ein Typ, der mit vier Schüssen vier Leute
erledigt?«
Coker dachte nach. Walkers Frage galt nicht der Ausbildung oder dem
Hintergrund des Schützen. Es war klar, dass er ein Profi sein musste. Viele
Amateure waren imstande, saubere Schüsse auf eine Zielscheibe abzugeben,
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