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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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hatte sie
ihre eigene Morphiumpumpe – sie konnte einfach aufs Knöpfchen drücken, und
alles war gut. Und wo hätte sie einem Typen wie Lemon Featherlight über den Weg
laufen sollen?«
    Kate zögerte. Dann sagte sie: »Er hat Lacy gesagt, sie hätten sich
vor zwei Jahren im Pavillon am Tulip kennengelernt. Sie war mit ein paar
Freundinnen da, sie haben dort zu Mittag gegessen oder so, und als Lemon
vorbeiging – du weißt ja, er ist ein gutaussehender, gut gekleideter Mann –,
hat eine von Lacys Freundinnen ihn an den Tisch gewinkt.«
    »Weiß Lacy auch den Namen dieser Freundin?«
    Kate zuckte die Schultern.
    »Da musst du sie schon selbst fragen.«
    »Ich weiß nicht, was das Ganze soll.«
    Kate hielt inne und sah Nick an.
    »Lacy sagt, Lemon und Sylvia standen sich ziemlich nahe. Lemon
behauptet, sie wären … Freunde gewesen.«
    Nick dachte darüber nach.
    »Ich verstehe noch immer nicht, worauf das hinausläuft.«
    »Lemon sagt, dass Sylvia ihn zu sich eingeladen hat. Manchmal war
Miles auch da …«
    Kate führte das nicht weiter aus.
    Nick trank einen Schluck Kaffee und starrte aus grauen Augen vor
sich hin. Sie konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete.
    »Du meinst, die drei  …?«
    Kate legte den Kopf schief und sah ihn mit einem wissenden Blick an.
    »So was soll es in Niceville schon mal gegeben haben. Und anderswo
auch. In den zwanziger Jahren sind ziemlich wilde Sachen gelaufen. In den
Achtzigern ebenfalls. Sogar in den besten Familien, habe ich gehört.«
    »In meiner nicht.«
    »Schatz, deine Familie lebt in Los Angeles. Du und deine Schwester
sind am Santa-Monica-Pier surfen gegangen. Dein Vater ist Anwalt für
Medienrecht, und deine Mutter leitet eine Privatklinik. Sie sind beide so
aufregend wie Kaugummi mit Bananengeschmack. Wie sie dich und Nora gekriegt
haben, werde ich nie verstehen. Wahrscheinlich haben sie eine neue Yogastellung
ausprobiert, sind dabei umgefallen und hatten zufällig Sex.«
    Nick musste lächeln. Kate hatte vollkommen recht. Seine Eltern
konnten sich leidenschaftlich über den Rückgang der Stintpopulation vor der
kalifornischen Küste erregen, aber Menschen waren ihnen weitgehend
gleichgültig. Sie hatten Zwillinge bekommen und auf die brutale Körperlichkeit
des Geburtsvorgangs mit stummem Entsetzen reagiert. Und nachdem sie die beiden
Kinder Nick und Nora genannt hatten, als wären sie zwei süße Yorkshireterrier, ließen
sie sich umgehend sterilisieren, und damit war das Thema Kinder erledigt. Kate
lächelte und strich Nick über die Wange.
    »Seit Jahren sage ich dir: Niceville ist anders, mehr noch als der
ganze Rest des Südens. Vielleicht liegt es an der Hitze. Oder vielleicht ist
wirklich irgendwas Eigenartiges im Crater Sink. Das Leben in Niceville folgt
einem seltsamen Rhythmus. Ich muss es wissen – ich bin hier aufgewachsen.«
    »Ist das der Grund, warum dein Vater so weit von hier entfernt
wohnt?«
    Kate lächelte. Seit sie vor einem Jahr mit ihrem Vater über Rainey
Teagues Verschwinden gesprochen hatte, war er diesem Thema elegant, aber
konsequent ausgewichen und hatte sie nur gelegentlich gefragt, ob sie immer
noch »diesen verdammten Spiegel« hätten.
    Ja, sie hatten ihn noch.
    Kate antwortete nicht auf Nicks Frage, die ohnehin rein rhetorisch
gewesen war, doch seine Gedanken beschäftigten sich mit Lemon Featherlight.
    »Featherlight hat Rainey im vergangenen Jahr ungefähr zwölf Mal
besucht. Wusstest du das?«
    Kate wusste es.
    »Tja, Tony Branko hat ihn mal nach dem Grund gefragt, aber
Featherlight hat bloß gesagt, der Junge hätte ihm leidgetan. Branko hatte den
Eindruck, dass noch mehr dahintersteckte, aber Featherlight kann reichlich
zugeknöpft sein, und Branko fand eigentlich nichts dabei. Aber das, was du
erzählst, wirft natürlich ein ganz anderes Licht auf die Sache. Branko ist zu
nachsichtig mit Featherlight, weil er selbst bei den Marines war und glaubt,
dass Featherlight von der Militärpolizei fertiggemacht worden ist. Ich bin
gespannt, was er sagt, wenn er diese Neuigkeiten erfährt. Behauptet
Featherlight denn, dass er irgendwas Nützliches zur Klärung des Falls beitragen
kann?«
    Sie schüttelte den Kopf und sah ihn an, um abzuschätzen, wie er
diese Sache beurteilte. »Keine Ahnung. Lacy hat nur gesagt, du sollst mal
vorbeikommen und mit ihr reden.«
    Nick schwieg. Dies war nicht der rechte Zeitpunkt, um über die
andere Sache zu sprechen, die ohnehin fürs Erste aus seinem Kopf
verdrängt worden war. Er würde später

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