Niceville
Scharfschütze, Coker. Also sattle die Pferde und
schnapp ihn dir.«
Coker schüttelte den Kopf.
»Das wird jetzt nicht mehr funktionieren. Ich kann nicht im Wald
herumstapfen und rufen: ›Komm raus, komm raus, lieber Merle, komm raus, wo du
auch bist!‹, und dabei aufs Geratewohl ins Unterholz schießen. Das Einzige, was
wir tun können, ist verhandeln.«
»Ach ja? Und wie sollen wir das tun?«
Coker hielt sein Handy hoch.
»Ich rufe ihn an. Oder vielleicht solltest lieber du das tun.
Verabrede ein Treffen. Wenn er einverstanden ist und sich die Gelegenheit
bietet, erschießen wir ihn. Wenn sich die Gelegenheit nicht bietet, zahlen wir
ihm seinen Anteil. Er hat seinen Kopf genauso hingehalten wie wir.«
Danziger tat, als würde er darüber nachdenken. In Wirklichkeit
dachte er, dass mit Coker befreundet zu sein in etwa so war, als würde man
einen Python als Haustier halten: Man musste ihn immer gut füttern und bei
Laune halten, und es war gar nicht gut, ihm das Gefühl zu geben, dass man in
seiner Gegenwart nervös war. Was Coker in Hinblick auf Merle Zane vorgeschlagen
hatte, war ziemlich genau das, was Danziger selbst schon seit einiger Zeit für
die einzige vernünftige Lösung hielt.
»Wir bringen ihn um, wenn es geht, und wenn es nicht geht, zahlen
wir ihn aus?«
»Das ist der Plan.«
»Okay. Ich bin dabei.«
Coker lächelte und schlug mit der flachen Hand auf das Tablett mit
den Instrumenten, dass sie klirrten.
»Ausgezeichnet. Und jetzt, da die Kugel raus ist und du versorgt
bist, wie wär’s, wenn du die Einnahmen holen würdest, damit wir sie aufteilen
können? Donny wird auch ein bisschen davon abkriegen, stimmt’s, Donny? Danach
können wir uns mit gutem Gewissen an die Arbeit machen.«
Danziger inhalierte den Rauch und stieß ihn langsam wieder aus.
»Nein.«
»Nein? Warum nicht?«
»Ich kann sie jetzt nicht holen. Ich muss mich für das FBI zur Verfügung halten.«
Coker wirkte ein wenig aus der Bahn geworfen.
»Warum wollen die Feds mit dir reden?«
Danziger sah ihn von der Seite an.
»Weil ich der Regionalmanager von Wells Fargo bin und einer meiner
Geldtransporter eine halbe Stunde vor unserem Überfall die Löhne und Gehälter
für den halben Quantum Park dort abgeliefert hat, darum. Die Feds glauben nicht
an Zufälle.«
Coker sah blinzelnd auf ihn herab und zog an seiner Zigarette. Die
Art, wie er dabei seine Wangen einzog, ließ seine Augen noch beängstigender
aussehen.
»Haben wir das bedacht?«
Danziger war es leid, immer nur zu Coker aufzusehen, der auf ihn
herabsah. Er erhob sich von dem Behandlungsstuhl und blickte sich suchend nach
seinem Hemd um. Donny dachte mit.
»Sie hatten kein Hemd an«, sagte er, »aber Sie können eins von
meinen haben. Und eine Jeans – die müsste Ihnen eigentlich passen. Ihre Stiefel
sind in Ordnung, haben bloß ein paar Blutspritzer abgekriegt. Sie müssen ein
Blutverdünnungsmittel nehmen, damit es keine Gerinnsel gibt. Ich gebe Ihnen
auch ein paar Oxycodon – wenn die örtliche Betäubung nachlässt, werden Sie eine
Menge Schmerzen haben.«
»Die habe ich jetzt schon.«
Falcone nickte und ging nach nebenan, wo der Medikamentenschrank
stand. In seinem Gesicht waren tiefe Furchen: das Porträt eines Zahnarztes als
zum Tode Verurteilter. Als er den Raum verlassen hatte, wandte Danziger sich zu
Coker, der an einem Schrank voller Zahnarztinstrumente lehnte.
»Wo ist mein Handy? Nicht das, das wir beim Überfall verwendet
haben. Mein eigenes.«
Coker griff in die Tasche seiner Jacke, holte Danzigers Handy hervor
und warf es ihm zu. Danziger klappte es auf und schaltete es ein.
Er sah kurz auf das Display und hielt es Coker hin.
»Siehst du? Siebzehn Anrufe, der erste kam ungefähr zehn Minuten
nach dem Überfall. Neun von Cletus Boone in der Zentrale – das ist mein
Stellvertreter –, vier von Marty Coors von der State Police, und die letzten
drei sind von Boonie Hackendorff vom FBI -Büro
in Cap City. Ich hab ihn gestern Abend gegen elf zurückgerufen.«
»Mit einer Kugel in der Brust?«
»Musste ich ja. War doch klar, dass die mit mir reden wollen.«
»Hat Boonie dich gefragt, von wo du anrufst?«
»Ja. Ich hab gesagt, ich bin bei Canticle Key, sitze in einem Boot
und angle. Und dass ich mein Handy ausgeschaltet habe, weil es mein freier Tag
ist. Ich konnte ja schließlich nicht wissen, dass die First Third in Gracie
ausgeraubt wird.«
»Kannst du beweisen, dass du da warst?«
»Er kann nicht beweisen, dass ich nicht
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