Niceville
mit ihr darüber reden.
»Verdammt. Lemon Featherlight und Sylvia …«
»Und Miles. Du kommst schon damit zurecht, Nick. Du bist ein harter
Bursche. Was immer Lemon Featherlight zu sagen hat – du solltest hingehen und
es dir anhören.«
»Ich mochte die Teagues. Ich hatte immer eine gute Meinung von
ihnen. Vielleicht will ich lieber nicht hören, was er zu erzählen hat.«
»Ich weiß«, sagte Kate und strich ihm über den Handrücken. »Wer will
das schon hören? Aber es ist dein Job, oder nicht?«
Coker und Charlie Danziger haben einen freimütigen Gedankenaustausch
Als Charlie Danziger an jenem Samstagmorgen zu sich kam, war sein erster Eindruck,
dass er auf dem Boden eines Swimmingpools lag und durch drei Meter klares
blaues Wasser auf eine streichholzkopfgroße Sonne starrte, die in einem
blassgrünen Himmel schwebte. Das war schön und warm und entspannend, und er
dachte gerade darüber nach, ob er den Rest des Tages hier unten bleiben sollte,
als sich ein dunkler Schatten vor die Sonne schob und er eine tiefe, donnernde
Stimme hörte, die aus dem Abfluss zu kommen schien, denn sie hüllte ihn
geradezu ein. Die Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor. Er schloss die Augen,
um besser nachdenken zu können, wem sie gehörte.
»He, Charlie, du Saftsack. Wach auf, verdammt.«
Das war ein hilfreicher Hinweis. Coker.
Er öffnete die Augen.
Über ihm war Coker und sah auf ihn herab – eine Silhouette vor einer
hellen Halogenlampe. Cokers Gesicht war nie besonders freundlich, doch jetzt
wirkte es wie eine Totenmaske, und die hellbraunen Augen starrten ihn mit einem
kalten gelben Glitzern an.
»Und komm bloß nicht auf die Idee zu fragen: ›Wo bin ich?‹«, knurrte
Coker, der eine Zigarette im Mund hatte. Seine Silhouette war in Rauch gehüllt,
und Ascheflöckchen schwebten auf Danzigers Gesicht hernieder.
»Wo bin ich?«, fragte Danziger.
Coker trat einen Schritt zurück.
»Bei Donny Falcone.«
»Wie bin ich hier gelandet?«
»Als ich gestern Abend nach Hause gekommen bin, warst du in der
Garage. Du hast mir eine Pistole ans Ohr gehalten, und dann bist du umgefallen
wie ein Teenager, der eine Überdosis erwischt hat. Ich hab dich ins Haus
gezerrt und ein bisschen verbunden, und weil ich den Eindruck hatte, es wäre
besser, wenn dir einer diese Kugel aus der Brust holt, hab ich Donny
angerufen.«
Danziger dachte darüber nach.
»Aber Donny ist Zahnarzt. Ich hab eine Kugel abgekriegt, Coker. Du
hättest mir einen Arzt besorgen sollen, keine Zahnbehandlung.«
Eine Stimme von weiter entfernt, von irgendjemandem, der im
Hintergrund stand. Es war die leise, schleppende Stimme von Donny Falcone, und
sie klang keineswegs freundlich.
»Immerhin hab ich Ihnen eine Narkose verpasst und eine 9-mm-Kugel
aus der Brust gepult, Charlie. Und Sie danach säuberlich zugenäht.«
Danziger setzte sich auf. Das dauerte eine Weile und tat verdammt
weh. Der Raum drehte sich ein bisschen und verblasste. Er blickte sich um und
sah Donny Falcone, der ihn anstarrte. Donny war ein junger, hochgewachsener
Sizilianer mit dem Aussehen eines Filmschauspielers. Er hatte schwarze Augen,
und wenn er lächelte, waren seine Zähne so weiß, dass man ihm am liebsten eine
reingehauen hätte. Im Augenblick lächelte er nicht.
Im Augenblick sah er aus wie ein Mann, der soeben zum Komplizen bei
einem vierfachen Mord geworden war – an einem sechsfachen, wenn man die beiden
Menschen im Hubschrauber mitzählte.
Das war eine recht gute Zusammenfassung seiner Situation, einer
Situation, in die er niemals geraten wäre, wenn er nicht gewissen sexuellen
Vorlieben gefrönt und narkotisierte Patientinnen zu unfreiwilligen Modellen für
erotische Fotos gemacht hätte, auf denen halbnackte und sehr attraktive Frauen
bis unter den Scheitel vollgepumpt mit Lachgas in schamlosen Posen auf
Zahnarztstühlen lagen.
Hätten diese Kunstwerke Kruzifixe gezeigt, die in Eimern voller
Nashornscheiße steckten, oder wären darauf nackte, tote lesbische Nonnen zu
sehen gewesen, die in Glasbehältern voller Formaldehyd schwammen, dann hätte
sich die leitende Kuratorin der Tate Modern in ihrer Begeisterung vermutlich
auf Donny Falcones Schoß gesetzt und ihm einen Lap-dance mit allen Schikanen
verpasst.
Stattdessen brachten diese Fotos ihn auf einem kleinen Umweg in
Cokers Gravitationsfeld. Es begann damit, dass eine von Donny Falcone für kurze
Zeit als Helferin beschäftigte junge und sehr hübsche Cherokee-Indianerin
namens Twyla Littlebasket sich den
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