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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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saßen
sie eine Weile in einträchtigem Schweigen da. Dann rutschte Tig auf seinem
Stuhl hin und her, und Nick merkte, dass der Mann nervös war.
    »Okay, Nick, erst die schlechte Nachricht. Ich hab einen Brief von
einem Colonel Dale Sievewright in Benning gekriegt. Darin geht es um deinen
Antrag auf Reaktivierung für einen Kampfeinsatz mit den Special Forces …«
    Nick sah ihn an, sagte aber nichts.
    Tig zuckte die Schultern.
    »Du wolltest dich davonmachen?«
    »Ja«, sagte Nick. »Ist nicht persönlich gemeint.«
    »Hab ich auch nicht so aufgefasst. Ich hab deinen hässlichen weißen
Arsch nicht im Wall Mart gekauft, sondern dich eingestellt. Ich weiß, dass dir
die Action fehlt, aber ich hab mich gefragt, ob du und Kate vielleicht ein
bisschen Ärger miteinander habt.«
    Nick schwieg eine Weile. Als er dann sprach, bewegte sich etwas
unter der straffen Haut über den Wangenknochen, und in seinen Augen war ein
blasses Schimmern.
    »Nein. Kate ist … eben Kate. Es gibt keine Bessere. Wenn sie zur Tür
hereinkommt, ist mein Tag gerettet. Aber alles ist so …«
    Tig stellte seinen Becher ab und lehnte sich wieder quietschend im
Stuhl zurück.
    »Blass?«
    Nick nippte an seinem Kaffee und sagte lange nichts.
    »Ja. Das ist eigentlich ein gutes Wort dafür. Als wären alle Farben
weg. Ich meine, Kate will, dass ich auf der Rückseite des Hauses eine Veranda
anbaue. Also gehe ich zu Billy Dials und sehe mir an, was er an Zedernholz
herumliegen hat, aber ich frage mich die ganze Zeit, was Kate eigentlich mit
einer Veranda will. Ich meine, wozu eine Veranda?«
    »Tja – Bier trinken? Footballspiele sehen? Grillen?«
    »Grillen«, sagte Nick und sah in seinen Kaffee. »Wenn ich ›Grillen‹
höre, denke ich immer an Fallujah, an diese Männer vom Sicherheitsdienst, die
an Fleischerhaken von der Brücke hingen.«
    Tig sah aus dem Fenster auf den strömenden Regen. Aus der Ferne war
ein Donnern zu hören, das näher zu kommen schien, und die dichten Wolken wurden
von Blitzen erhellt. Es war ein beschissener Morgen.
    »Ich habe ziemlich lange gebraucht, um diesen Anblick zu vergessen,
also vielen Dank, Nick, dass du mich daran erinnert hast. Wenn du meinst, in
Fallujah hätte es gerochen wie bei einem Grillfest, solltest du mal dabei sein,
wenn ein Panzer ausbrennt. Hast du mit Kate gesprochen, bevor du den Brief
geschrieben hast?«
    Nick schüttelte den Kopf.
    »Na gut. Kein Grund, sie jetzt damit aufzuregen. Tut mir leid, das
zu sagen, wirklich, obwohl ich mich freue, dich nicht zu verlieren. Sievewright
hat deinen Antrag abgelehnt.«
    Nick verarbeitete diese Information. Er nickte, sein Blick war
verschlossen.
    »Wadi Doan?«
    Tig sah ihn freundlich an.
    »Ja, Wadi Doan. Al-Kuribija im Jemen. Das wird man nicht vergessen,
Nick. Es war nicht deine Schuld, das hat nie jemand gedacht. Auch das
Militärgericht hat das festgestellt, aber eine Reaktivierung und ein neuer
Kampfeinsatz … Daraus wird nichts werden.«
    »Sah zu schlecht aus.«
    »Und dann das Video.«
    Nick sagte nichts.
    Tig beließ es dabei.
    Um das Thema zu wechseln, sagte Nick: »Irgendwas Neues über die
Sache von gestern?«
    Tig rieb sich mit beiden Händen über die Wangen und sah mit einem
Mal alt aus.
    »Du warst am Tatort. Was meinst du dazu?«
    Nick sagte es ihm.
    Tig nickte. Er war zu demselben Schluss gekommen: kaltblütiger,
geplanter Mord.
    »Werden wir irgendwie an den Ermittlungen beteiligt?«, fragte Nick.
    »Zunächst wird es eine riesige Beerdigung geben«, sagte Tig und sah
hinaus in den Regen. »Es werden Kollegen aus dem ganzen Land nach Cap City
kommen, sogar aus Kanada und England. Herrgott, vier Männer. Plus die beiden in
dem Hubschrauber.«
    »Die in dem Hubschrauber sind mir egal. Mediengeier.«
    Nick hatte nichts übrig für die Medien. Tig, dem es ähnlich ging,
der aber auf die Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen war, sorgte gewöhnlich
dafür, dass Nick sich so weit wie möglich von Menschen mit Mikrofonen und
Kameras fernhielt. Er ging nicht auf Nicks Bemerkung ein.
    »Ich möchte, dass du hingehst, wenn du es aushalten kannst. Am
nächsten Freitag. Als Vertreter unserer Einheit. Vielleicht könntest du Beau
mitnehmen.«
    Nick sah auf seine Hände.
    »Ich hab genug von Beerdigungen, Tig.«
    »Ich auch«, sagte Tig, senkte die Stimme und beugte sich über den
Schreibtisch. »Aber ich will nicht, dass wir durch diese jungen Burschen da
vertreten werden, die keine Ahnung haben, wie man eine Ausgehuniform trägt. Die
wissen ja

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