Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
Vom Netzwerk:
mehr antun konnte. Im Auto waren sie ganz still. Etwa zehn Minuten lang fuhren sie schweigend, bis Stella es wagte, den Mund aufzumachen.
    »Wer war der Mann?«, fragte sie und beugte sich von der Rückbank nach vorne. »Was hat er getan?«
    Jones drehte sofort durch. Er brüllte los, als hätte sie ihn geschlagen.
    »Du verdammte Scheißschlampe!«, schrie er. Mit der Hand drückte er Stella zurück an die Lehne der Rückbank.
    »Ich wollte doch nur …«, fing sie an. Aber Jones war außer sich. Er beugte sich über seinen Sitz nach hinten und schlug auf sie ein, schlug und schlug, während sie schrie, sich duckte, ihn abwehrte. Ihr Bemühen, seinen Schlägen auszuweichen, schien ihn nur noch wahnsinniger zu machen, so dass er beinah auf die Rückbank kletterte, um sie zu fassen zu kriegen.
    Manley hielt das Steuer mit einer Hand fest, griff mit der anderen Hand nach hinten und brüllte: »Ich muss fahren, du Idiot!« Aber Jones war nicht zu bremsen. Von einem entgegenkommenden Auto aus hätte man nur gesehen, wie Jones sich nach hinten beugte und wie besessen auf etwas Unsichtbares auf der Rückbank einschlug, als kämpfte er gegen einen Abgesandten der Hölle.
    Wenn Jones durch irgendein Wunder in der Lage gewesen wäre, Stella zu erzählen, was ihm als Kind in Meadow Hill angetan worden war, und wenn Stella irgendwie in der Lage gewesen wäre, zu verstehen, was das bei ihm bewirkt hatte, hätte sie den Schlüssel zu all seinen und ihren Problemen gehabt. Wenn man Jones betrachtete, den finsteren Ausdruck, der ihm ins Gesicht gebrannt war, die Zahnlücken, die hässliche, schreckliche Gewalt, die ihn bei allem begleitete, fiel es schwer zu glauben, dass er früher einmal ein so hübscher Junge wie Nick gewesen war. Jones war wie Nick als Kind in Meadow Hill gewesen und war wie Nick dort auf Tony Creal gestoßen. Jones hatte wie Nick ein verwundetes Herz. Aber seines war, anders als bei Nick, nicht mehr zu retten.
    Ben Jones war im Alter von vier Jahren ins Heim gekommen und hatte einen großen Teil seines Lebens dort verbracht. Damals hatte es nicht nur einen, sondern ein halbes Dutzend Creals gegeben, und was Nick im Arrest geschehen war, wurde Jones immer und immer wieder angetan. Angst war zu einem wichtigen Bestandteil seines Lebens geworden, alles war mit Angst verbunden, Schmerzen, Freude, Zuhause, das Heim, Freundschaft, sogar Liebe – bis die Angst schließlich in seinem Herzen Wurzeln geschlagen hatte und Blüten trieb. Die Wurzel seiner Angst war Schmerz, und die Frucht seiner Angst war Wut. Tief in seinem Innern vergraben, unerreichbar, fest eingesperrt in der schwarzen Nacht seines Herzens, steckte ein vierjähriger Junge, der seit fünfundzwanzig langen Jahren um Hilfe schrie.
    Zu Hause stolperte Stella ins Wohnzimmer und Jones folgte ihr. Sie versuchte nach oben zu flüchten, aber er war von übermächtiger Wut gepackt. Er packte sie an den Haaren, zog sie rückwärts die Treppe hinunter und schlug wieder auf sie ein. Manley stand hinter ihm und schrie: »Hör auf, Jones, das ist genug, das ist genug!« Aber Jones hatte kein Erbarmen. Es würde nie genug sein. Da stellte sich Manley zum ersten Mal in seinem Leben zwischen Jones und dessen Opfer.
    »Das Mädchen is mir egal, aber wenn de so weitermachst, bringste sie um«, sagte er. »Und mal im Ernst, Jones, sie willste doch gar nich umbringen, oder?«
    Jones schnaufte vor Panik und Raserei, er ballte die Hände zu Fäusten, starrte seinen Freund an und brachte kein Wort heraus.
    »Sie willste doch gar nich umbringen. Oder?«, fragte Manley noch mal.
    Jones sah zur Seite, er konnte Manley nicht in die Augen blicken. Ganz kurz guckte er wütend hoch, und Manley nickte ihm zu.
    »Sie nich«, sagte er.
    »Nein, sie nich«, wiederholte Jones.
    Stella rannte die Treppe hoch, ihr Kopf und ihr Gesicht waren blutverschmiert, sie hielt sich die Seite – er hatte ihr wieder die Rippe gebrochen wie schon vor ein paar Wochen. Jones wandte sich ab und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
    Ein paar Minuten später, als sie im Wohnzimmer saßen, blickte Jones auf. »Wir könnten es tun«, sagte er, immer noch schnaufend.
    »Vielleicht«, sagte Manley. »Wenn wir nur wüssten, wie.«
    »Wir müssen das nich alleine machen«, sagte Jones. »Wie viele Männer kennst du, die uns helfen würden, den lieben Tony Creal umzulegen?«
    »Ein Dutzend oder so, glaub ich«, sagte Manley. »Weißt du … wenn’s viele Verdächtige gibt, isses schwer, ’nen

Weitere Kostenlose Bücher