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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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Schuldigen zu finden.«
    Jones saß eine Weile still, dann sagte er mit ruhiger Stimme: »Wir legen ihn um.«
    »Wir legen ihn um«, sagte Manley und nickte.
    Die Idee war geboren.
    Die beiden redeten noch eine Weile darüber. Namen von anderen Männern wurden genannt, deren Charaktere diskutiert. Waren sie gut oder schlecht, waren sie stark oder schwach, schwatzhaft oder schweigsam? Am nächsten Tag, so verabredeten die beiden, würden sie anfangen, Kontakt zu den Männern aufzunehmen, und dann die herausfiltern, die vertrauenswürdig waren. Keiner der beiden wusste zu diesem Zeitpunkt, ob sie die Angelegenheit weiterverfolgen würden, sie wussten nicht einmal, ob sie je wieder erwähnen würden, dass sie Creal gesehen hatten. Vielleicht würde es letztlich doch einfacher sein, das zu tun, was sie beide mehr als zwanzig Jahre lang getan hatten – einfach alles vergessen.
    Stella lag oben im Bett und wartete auf ihren Geliebten. Sie lauschte dem leisen Gemurmel der Stimmen und fürchtete sich, seine Schritte auf der Treppe zu hören. Stella hatte selbst alles andere als eine behütete Kindheit gehabt, aber sie hatte das besser verkraftet als Jones, hatte sich trotz aller erlittenen Qualen ein freundliches Herz bewahrt. Stellas Herzensgüte war schier unerschöpflich – sie galt Nick, Davey, selbst Jones. Stella war jedem Wesen auf dieser Erde freundlich gesinnt – ausgenommen war nur eine arme, unversöhnliche Seele: ihre eigene. Für Stella waren – wie für Oliver, wie für so viele vor ihr – Schmerz, Furcht und Liebe eins geworden, eine Falle, aus der sie nicht herausfand.
    Als Jones eine halbe Stunde später die Tür öffnete und er einen Moment lang von dem matten Licht im Flur umrahmt wurde, starrte sie ihn mit dumpfem Entsetzen an, weil sie nicht ausmachen konnte, in welcher Stimmung er war. Doch er nahm sie zärtlich in die Arme, löste ihre verkrampften Glieder, küsste ihre Wunden, legte den Kopf in ihren Schoß und weinte – erst kamen nur wenige Tränen, dann aber brach ein wildes, herzerweichendes Schluchzen aus ihm heraus.
    Vorsichtig legte Stella ihre Hand auf seinen Kopf und sah teilnahmslos zu, wie er ihre Hand ergriff und sich an ihr festklammerte. Da die fürchterlichen Schläge noch nicht lange zurücklagen, empfand sie zunächst nichts weiter als Erleichterung, doch mit seinen Tränen löste Jones, ohne es zu ahnen, einen alten, schrecklichen Zauber aus. Innerhalb weniger Stunden würde die Dunkelheit in Stellas Herz von Mitleid erhellt werden, und über kurz oder lang würde sie mehr Mitleid für Jones empfinden als für sich selbst. Er hielt ihr Herz gefangen, indem er seines für sie in Stücke schlug und damit auch ihres brach, immer und immer wieder.

31
  Karo-Bube
     
    Nachdem Jones wie ein Baby auf ihrem Schoß geschluchzt hatte, schlief er in ihren Armen wie ein Kind. Aber nicht lange. Schon nach einer Stunde riss ihn ein Albtraum hoch. Dann lag er wach, gequält von Erinnerungen, erschüttert von seinem Verrat und seiner Schuld, aber sobald er nur den Versuch machte, diese Gefühle zu fassen, schlugen sie sofort in Raserei um. So verwunderte es nicht, dass er Zuflucht bei seinen kleinen Tröstern suchte.
    »Was machst du?«, fragte Stella. Jones antwortete nicht. Er stand auf, ging zum Schrank, klapperte mit dem Schlüssel und fing an zu kramen.
    »Nein, Jonesy, nicht heute«, bat Stella. Sie meinte, er solle sich nicht zudröhnen, nachdem er eben noch so sanft gewesen war. Stella konnte es nicht wissen, aber es war nicht die Nähe zu ihr, die Jones auslöschen wollte. Es war der Hass in ihm, den er nicht ertragen konnte.
    Jones warf eine Handvoll Pillen ein und legte sich wieder ins Bett, aber mit dem Rücken zu Stella. Sie starrte ihn an, verständnislos, doch wie immer von ihm angerührt. Sie legte ihre Hand auf seine Schulter, aber er schüttelte sie ab. Sie kuschelte sich so nah an ihn heran, wie sie es wagte, so dass sie zumindest seine Wärme spüren konnte, und so schliefen die beiden Liebenden ein, unfähig einander zu berühren.
    Zwei Tage war Jones zugedröhnt und friedlich. Am dritten Tag ging er in die Badewanne, starrte an die Decke, dachte nichts, fühlte auch kaum etwas, war rein wie ein frisch gewaschenes und gemangeltes Laken. Am Abend setzte er sich zu Stella an den Tisch und aß, was sie für ihn gekocht hatte. Es gab gebratenes Hähnchen mit Kartoffeln, Karotten und Erbsen, eines seiner Lieblingsessen, und zum ersten Mal seit einer Woche aß er mit

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