Nicholas Dane (German Edition)
ihr erlaubt hätte, ohne seine Aufsicht zu Sonnschein zu gehen. Sie weinte bittere Tränen, aber das nützte auch nichts. Inzwischen war sie sicher, dass Jones in eine abgründige, finstere Sache verstrickt sein musste. Was die Männer da planten, war kein gewöhnlicher Raubüberfall. Es roch nach Gewalt. Noch wagte Stella nicht an Mord zu denken, aber das Wort lag ihr schon auf der Zungenspitze.
Einen Monat nachdem Jones und Manley Tony Creal im Biergarten gesehen hatten, versammelten sich die fünf Männer zu einer letzten Besprechung bei Jones. Diesmal wurde Stella nicht ins Schlafzimmer verbannt – sie sollte das Haus verlassen. Jones gab ihr ein bisschen Geld und sagte ihr, sie solle einkaufen gehen.
Er brachte sie selbst zur Tür. Bevor sie ging, drehte sie sich zu ihm um, den Kopf voll Fragen, die sie aber nicht zu stellen wagte.
»Komm nicht zu schnell zurück«, sagte Jones und schloss die Tür.
Sie verharrte einen Moment und blickte auf die zugezogenen Vorhänge des vorderen Zimmers. Was war los? Was plante er mit diesen Männern, was war so schlimm, dass sie nicht einmal einen Fingerzeig bekam? Als wären seine normalen Spielchen nicht schon unheimlich genug.
Stella war starr vor Angst, aber ihre Angst galt nicht ihr selbst, sondern Jones. Ihr Liebster hatte trotz allem etwas furchterregend Hilfloses an sich. Er war auf den Tod genauso gefasst wie auf eine Erkältung. Die Vorstellung, ihm könnte etwas zustoßen, war ihr unerträglich. Seine Distanz zu ihr brach ihr das Herz.
Sie war sicher, dass etwas Entsetzliches geschehen würde.
Während sich Stella traurig auf den Weg in die Stadt machte, öffneten Jones, Manley und die drei anderen Männer ihre Bierdosen und tranken nicht auf ihr Wohl, sondern auf den Tod – den Tod von Tony Creal. Sie hatten den Pub in Northenden beobachtet und wussten, dass er meist montags dort auftauchte. Der Freund, mit dem Nick ihn gesehen hatte, war Polizeikommissar beim Betrugsdezernat und teilte Creals Vorliebe für Knaben. Creal war zwei Wochen hintereinander in dem Pub gewesen, aber jedes Mal war er nach ein paar Bier noch vor Einbruch der Dunkelheit gegangen, woran all ihre Pläne scheiterten.
Eine bessere Gelegenheit bot Tony Creals beinahe regelmäßiger Besuch in einem Ausschank ganz in der Nähe des Heims, Fox and Hounds hieß die kleine Kneipe. Dort war er oft, trank ein paar Bier, donnerstags auch manchmal ein paar mehr, und ging dann alleine zu Fuß nach Meadow Hill. Wenn jemand die Kneipe regelmäßig im Auge behielt und dieser Jemand gewillt war, einen Anruf zu tätigen, sobald Creal auftauchte, und einen weiteren, wenn Creal die Kneipe verließ, und wenn eine Gruppe entschlossener Männer irgendwo zwischen Kneipe und Heim auf ihn wartete, war es möglich, dass sie Creal alleine erwischten oder vielleicht mit einem, allenfalls mit zwei Freunden, die leicht verjagt werden könnten. Sobald die Männer Creal in ihrer Gewalt hatten, konnte der Mord problemlos durchgeführt werden und die anschließende Flucht gelingen, das war keine Frage. Aber danach würde es schwierig werden. Wie konnten sie es vermeiden, geschnappt zu werden? Und wenn es doch geschehen sollte, wie konnten sie die Polizei dazu bringen, sie für unschuldig zu halten? Neue Gäste, die auch immer donnerstags kamen, würden bemerkt werden. Und vielleicht würde jemandem auffallen, dass diese neuen Gäste gleich nach Mr Creal die Kneipe verließen. Und was war mit denen, die auf der Straße Wache schoben? Wie konnte man vermeiden, dass die entdeckt wurden? Unsere fünf Helden wussten, mit welch langsamer, geduldiger Sorgfalt die Polizei die Aufklärung eines Mordfalls betrieb, und ihnen war auch klar, dass die Polizei sich immer ein umfassendes Bild von den Bewegungen des Opfers am Tag des Mordes machte. Auch flüchtige Blicke, nur Bruchstücke von Erinnerungen, können früher oder später auf die Spur des Schuldigen führen.
»Aber das ist doch egal«, sagte Manley. »Solange sie uns nichts beweisen können, was soll’s?«
Sie wollten sich zu fünft auf Creal stürzen, ihn zu einem bereitgestellten Auto bringen und dann zu einem von ihnen nach Hause fahren, wo sie Creal bis tief in die Nacht gefangen halten wollten. Von dort würden sie ihn zum Hinrichtungsort fahren, einem kleinen Parkplatz in einem ruhigen Stadtteil. Sie würden den geknebelten Creal an einen Zaun binden und mit Benzin überschütten. Alle fünf Männer würden sich um ihn herumstellen und jeder von ihnen würde
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