Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
vor, ein Vieh fast von der Größe einer kleinen Katze, das reglos dastand, während die Übrigen um sie herumhuschten und ständig in Bewegung waren. Seine rechte Hand steckte immer noch im Boden, mit der linken wies er auf die große Ratte. Sie zuckte und für einen kurzen Moment leuchteten ihre Augen in einem fahlen gelben Licht.
»Dr. John Dee, du hast den größten Fehler deines langen Lebens gemacht. Ich kriege dich«, sagte er laut.
Dee schaute von seiner Spähschale auf und sah, dass Perenelle Flamel hellwach war und ihn beobachtete. »Ah, Perenelle, zu gerne würde ich dir zeigen, wie meine Geschöpfe deinen Gatten überwältigen. Gleichzeitig habe ich endlich die Gelegenheit, mich dieser Pest Scathach zu entledigen, und ich kann mir die fehlenden Buchseiten holen.« Dee hatte nicht bemerkt, wie Perenelles Augen ganz groß geworden waren, als er den Namen Scathach erwähnte. »Alles in allem ein erfolgreicher Tag, würde ich sagen.« Er konzentrierte sich voll auf die größte Ratte und gab zwei Befehle aus: »Angreifen. Töten.«
Dee schloss die Augen, als die Ratte sich reckte und einen Satz in den Raum hineinmachte.
Das grüne Licht floss aus Flamels Fingern, lief über die Dielen und überzog sie mit einem grünen Schimmer. Plötzlich wuchsen aus den Brettern Zweige, Äste, Blätter und schließlich ein Baumstamm… und noch einer … und noch einer. Es dauerte nur zwölf Herzschläge lang und ein dichter Wald brach aus dem Boden. Man konnte zuschauen, wie sich die Stämme zur Decke reckten. Einige waren kaum dicker als ein Finger, andere armdick, und der Baum bei der Tür war so dick, dass er den Rahmen fast ausfüllte.
Die Ratten drehten sich um und stoben kreischend den Flur hinunter. Flamel rappelte sich auf und wischte sich die Hände ab.
»Eines der ältesten Geheimnisse der Alchemie besteht darin«, erklärte er Scatty und den erstaunten Zwillingen, »dass jedes Lebewesen, von den komplexesten Organismen bis hin zum einfachen Blatt, die Anlagen zu seinem vollkommenen Wesen im Kern in sich trägt.«
»DNA«, murmelte Josh. Er konnte den Blick nicht von dem Wald wenden, der in Flamels Rücken immer weiterwuchs.
Sophie schaute sich in dem ehemals sauberen Dojo um. Jetzt war es total ruiniert: überall Schmutz und kleine, dunkle Pfützen, die Dielenbretter aufgerissen von den Bäumen, die daraus wuchsen, und im Flur noch mehr stinkender Lehm. »Willst du damit sagen, dass die Alchemysten die DNA kannten?«, fragte sie.
Flamel nickte erfreut. »Ganz genau. Als Watson und Crick 1953 verkündeten, sie hätten ›Das Geheimnis des Lebens‹ entdeckt, waren sie lediglich auf etwas gekommen, das die Alchemysten schon seit jeher wussten.«
»Du behauptest also, du hättest die DNA in diesen Dielen irgendwie geweckt und aus dem Holz Bäume zum Wachsen gebracht?« Josh hatte sehr genau überlegt, was er sagte. »Wie?«
Flamel drehte sich zu dem Wald um, der langsam das gesamte Dojo einnahm. »Man nennt es Magie«, erklärte er vergnügt, »und ich war mir nicht sicher, ob ich es noch schaffen würde. Bis Scatty mich daran erinnerte«, fügte er hinzu.
KAPITEL ZEHN
H abe ich das richtig verstanden?« Josh gab sich alle Mühe, in einer gemäßigten Lautstärke zu sprechen. »Ihr könnt nicht Auto fahren? Keiner von euch?«
Josh und Sophie saßen vorne in dem Geländewagen, den Scatty sich von einem ihrer Schüler ausgeliehen hatte. Josh fuhr und Sophie hatte eine Karte auf dem Schoß. Nicholas Flamel und Scathach saßen hinten.
»Ich hab’s nie gelernt«, erwiderte Flamel mit einem ausdrucksvollen Schulterzucken.
»Keine Zeit«, sagte Scatty kurz angebunden.
Sophie drehte sich zu ihr um. »Aber Nicholas hat uns gesagt, du wärst über zweitausend Jahre alt.«
»Zweitausendfünfhundertundsiebzehn, nach eurem derzeitigen Kalender«, murmelte Scatty. Dann wandte sie sich an Flamel. »Und wie alt sehe ich aus?«
»Keinen Tag älter als siebzehn«, antwortete er rasch.
»Hättest du da nicht Zeit gehabt, Auto fahren zu lernen?«, fragte Sophie weiter. Sie hätte den Führerschein am liebsten schon mit zehn Jahren gemacht. Einer der Gründe, weshalb die Zwillinge dieses Jahr Sommerjobs angenommen hatten, statt mit ihren Eltern zur Ausgrabungsstätte zu gehen, war ja, dass sie Geld für einen eigenen Wagen verdienen wollten.
Scathach runzelte ärgerlich die Stirn. »Ich wollte es ja, aber ich hatte einfach immer zu viel zu tun.«
»Ihr wisst aber«, sagte Josh zu niemand Bestimmtem,
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