Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
»dass ich eigentlich nicht fahren darf, wenn kein Erwachsener mit Führerschein mit im Auto sitzt?«
»Wir sind fast fünfzehneinhalb und können beide fahren«, meinte Sophie. »So einigermaßen jedenfalls.«
»Kann einer von euch reiten?«, fragte Flamel. »Oder eine Kutsche lenken oder einen Vierspänner?«
»Das nicht…«, gab Sophie zu.
»Einen Kriegswagen lenken und gleichzeitig einen Pfeil abschießen oder einen Speer schleudern?«, fügte Scatty hinzu. »Oder eine Federnatter fliegen und gleichzeitig mit einer Steinschleuder schießen?«
»Ich habe keine Ahnung, was eine Federnatter ist… Und ich will es lieber auch gar nicht wissen.«
»Ihr seht also, dass ihr gewisse Fähigkeiten habt«, sagte Flamel, »und wir auch, nur andere, etwas ältere, aber genauso nützliche.« Und mit einem Seitenblick auf Scathach fügte er hinzu: »Auch wenn ich das Federnatter-Fliegen, glaube ich, nicht mehr so gut beherrsche.«
Josh hatte an einer Ampel auf Grün gewartet. Jetzt fuhr er an und bog rechts zur Golden-Gate-Brücke ab. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ihr im einundzwanzigsten Jahrhundert ohne Führerschein auskommt. Wie bewegt ihr euch denn fort?«
»Öffentliche Verkehrsmittel«, erwiderte Flamel mit einem grimmigen Lächeln. »Hauptsächlich Züge und Busse. Mit ihnen kann man vollkommen anonym reisen, anders als mit Flugzeug oder Schiff. Mit einem Auto ist viel zu viel Papierkram verbunden, Papierkram, der direkt zu uns führen könnte, egal wie viele Decknamen wir benutzen.« Er schwieg kurz und fügte dann hinzu: »Außerdem gibt es andere, ältere Methoden der Fortbewegung.«
Es gab hundert Fragen, die Josh gern gestellt hätte, aber er musste sich darauf konzentrieren, die Kontrolle über den schweren Wagen zu behalten. Er wusste zwar theoretisch, wie man fährt, tatsächlich gefahren aber hatte er lediglich zerbeulte Jeeps, wenn sie ihre Eltern zu einer Ausgrabungsstätte begleitet hatten. Im normalen Straßenverkehr hatte er bisher noch nie am Lenkrad eines Autos gesessen, und wenn er ehrlich war, hatte er panische Angst. Sophie hatte gemeint, er solle sich einfach vorstellen, es sei ein Computerspiel. Das half, aber nur ein bisschen. Wenn es im Spiel krachte, fing man einfach wieder von vorn an. Auf der Straße käme man bei einem Zusammenstoß nicht so glimpflich davon.
Es ging nur langsam voran auf der berühmten Brücke. Eine graue Stretchlimousine war auf der Mittelspur liegen geblieben. Beim Näherkommen sah Sophie, dass sich auf der Beifahrerseite zwei Gestalten im dunklen Anzug über den Motor beugten. Sie merkte, dass sie den Atem anhielt, weil sie sofort an Golems dachte. Als sie auf gleicher Höhe waren und Sophie feststellte, dass die Männer eher wie gestresste Geschäftsleute aussahen, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus. Josh schaute seine Schwester an und versuchte ein Grinsen. Sofort wusste sie, dass er dieselbe Befürchtung gehabt hatte.
Sophie drehte sich um und schaut nach hinten. In dem abgedunkelten, klimatisierten SUV erschienen Flamel und Scatty wie ganz gewöhnliche Leute. Flamel sah aus wie ein alternder Hippie und Scatty hätte trotz ihrer Vorliebe für militärische Kleidung auch hinter den Tresen der »Kaffeetasse« gepasst. Sie hatte das Kinn in die Hand gestützt und schaute durch die dunkle Scheibe über die Bay zur Gefängnisinsel Alcatraz hinüber.
Nicholas Flamel senkte den Kopf, um ihrem Blick folgen zu können. »Da drüben war ich schon eine ganze Weile nicht mehr«, murmelte er.
»Wir haben mal eine Führung dort gemacht«, sagte Sophie.
»Mir hat es gefallen«, warf Josh ein. »Sophie nicht.«
»Ich fand’s gruselig.«
»Das sollte es auch sein«, sagte Flamel leise. »Die Insel wird von einer außergewöhnlichen Mischung von Geistern bewohnt. Als ich das letzte Mal dort war, musste ich einem besonders üblen Schlangenmenschen eine Zwangspause verordnen.«
»Ich will lieber nicht wissen, was ein Schlangenmensch ist«, murmelte Sophie und fügte, nachdem sie kurz überlegt hatte, hinzu: »Noch vor ein paar Stunden hätte ich mir nicht einmal vorstellen können, so etwas zu sagen.«
Nicholas Flamel lehnte sich auf seinem bequemen Sitz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Euer Leben – deines und das deines Bruders – wird nie mehr so sein wie früher. Das wisst ihr, ja?«
Sophie nickte. »Langsam wird mir das klar. Aber es passiert alles so schnell, dass man es kaum fassen kann. Golems aus Lehm, Magie, Bücher
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