Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
nicht, dass etwas hereinkommt.«
»Wir stecken in der Tinte, nicht wahr?«, flüsterte Sophie, wobei sie den Alchemysten ansah.
»Nur wenn die Krähen uns kriegen«, erwiderte Flamel mit einem dünnen Lächeln. »Könnte ich mir bitte dein Handy ausleihen?«
Sophie zog ihr Handy aus der Tasche und klappte es auf. »Willst du einen Zauber damit wirken?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Nein, ich werde jemanden anrufen. Drück die Daumen, dass nicht nur der Anrufbeantworter dran ist.«
KAPITEL ELF
D ie Sicherheitstore öffneten sich und Dees schwarze Stretchlimousine bog auf die Zufahrt ein. Der Golem-Chauffeur manövrierte den Wagen gekonnt durch vergitterte Tore in eine Tiefgarage. Perenelle Flamel kippte zur Seite und fiel auf den zweiten aufgeweichten Golem, der rechts neben ihr saß. Es gab ein glucksendes Geräusch und faulig riechende Dreckspritzer flogen durch den Wagen.
Dr. John Dee, der auf der anderen Seite neben dem Golem saß, verzog angeekelt das Gesicht und rutschte zurück in seine Ecke. Er telefonierte und redete dabei in einer Sprache, die seit mehr als dreitausend Jahren nicht mehr auf der Erde gesprochen wurde.
Ein Spritzer Golem-Schlamm landete auf Perenelles rechter Hand. Der zähe Schmutz lief über ihren Handrücken – und wischte dabei das gewundene Symbol ab, das Dee dort aufgemalt hatte.
Der Bindezauber war teilweise gebrochen. Perenelle Flamel senkte leicht den Kopf. Das war ihre Chance. Um mit ihrer Aura-Energie wirklich arbeiten zu können, brauchte sie eigentlich beide Hände, und der Fesselzauber, den Dee ihr auf die Stirn gemalt hatte, hinderte sie leider am Sprechen.
Aber dennoch …
Perenelle Delamere hatte sich immer für Magie interessiert, auch schon bevor sie den armen Buchhändler kennengelernt hatte, der später ihr Ehemann geworden war. Sie war die siebte Tochter einer siebten Tochter, und in dem winzigen Dorf Quimper im Nordwesten von Frankreich, wo sie aufgewachsen war, hielt man sie für etwas Besonderes. Sie konnte durch Handauflegen heilen, nicht nur Menschen, sondern auch Tiere. Sie konnte mit den Toten reden und manchmal sogar ein wenig in die Zukunft schauen. Da sie jedoch in einer Zeit aufgewachsen war, in der solche Fähigkeiten mit großer Skepsis betrachtet wurden, hatte sie gelernt, sie für sich zu behalten. Als sie nach Paris kam, sah sie, wie die Wahrsager, die auf den Märkten hinter der gewaltigen Kathedrale von Nôtre Dame arbeiteten, leichtes und gutes Geld verdienten. Sie nahm den Namen »Chatte Noire« an, »Schwarze Katze« – wegen ihrer pechschwarzen Haare -, und richtete sich in einem kleinen Stand mit Blick auf die Kathedrale ein. Innerhalb weniger Wochen hatte sie den Ruf, wirklich begabt zu sein. Ihre Kundschaft veränderte sich. Bald waren es nicht nur die Händler und Budenbesitzer, die zu ihr kamen, sondern auch Kaufleute und selbst Adlige.
Ganz in der Nähe ihres kleinen, überdachten Standes saßen die Amtsschreiber und Kopierer, Menschen, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Briefen für diejenigen verdienten, die weder lesen noch schreiben konnten. Einige von ihnen, wie zum Beispiel der schlanke, dunkelhaarige Mann mit den auffallend hellen Augen, verkauften gelegentlich auch Bücher an ihrem Stand. Und bereits als sie ihn zum ersten Mal sah, wusste Perenelle Delamere, dass sie diesen Mann heiraten würde und dass sie ein langes und glückliches Leben miteinander verbringen würden. Wie lang es tatsächlich werden sollte, war ihr allerdings nicht klar gewesen.
Keine sechs Monate nach ihrer ersten Begegnung heirateten sie. Inzwischen waren sie seit über 600 Jahren zusammen.
Wie die meisten gebildeten Männer seiner Zeit faszinierte auch Nicholas Flamel die Alchemie – eine vielversprechende Kombination aus Naturwissenschaft und Magie. Sein Interesse war geweckt worden, nachdem ihm gelegentlich alchemistische Bücher und Schaubilder zum Verkauf angeboten worden waren und man ihn gebeten hatte, einige der selteneren Werke zu kopieren. Im Gegensatz zu den meisten Frauen ihrer Zeit konnte Perenelle lesen und beherrschte mehrere Sprachen – ihr Griechisch war besser als das ihres Gatten -, und er bat sie oft, ihm etwas vorzulesen. Perenelle war rasch vertraut mit den verschiedenen Zweigen der Magie und begann, im kleinen Rahmen zu üben und ihre Fähigkeiten auszubauen. Dabei konzentrierte sie sich darauf, ihre Aura-Energie zu bündeln und in bestimmte Richtungen zu lenken.
Als der Codex in ihren Besitz kam, war
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