Nicholas Flame Bd. 1 Der Unsterbliche Alchemyst
war etwas ganz Besonderes, selbst für Bel Air, das Viertel in L.A., das für seine extravaganten Anwesen berühmt war. Riesig und weitläufig, ganz aus weißem Travertin gebaut und nur über eine Privatstraße zu erreichen, stand es auf einem vierundzwanzig Hektar großen Grundstück, das von einer dreieinhalb Meter hohen und mit einem elektrischen Zaun gekrönten Mauer umgeben war. Dr. John Dee musste zehn Minuten vor dem geschlossenen Tor warten, während ein bewaffneter Wachmann seine Identität überprüfte und ein anderer jeden Zentimeter des Wagens untersuchte und ihn sogar mit einer kleinen Kamera von unten abscannte. Dee war froh, dass er sich für einen kommerziellen Limousinenverleih mit menschlichem Fahrer entschieden hatte. Er war sich nicht sicher, was die Wachleute von einem Golem aus Lehm gehalten hätten.
Dee war am späten Nachmittag mit seinem Privatjet eingeflogen. Die Limousine, die sein Büro für ihn gebucht hatte, hatte ihn von Burbank abgeholt – jetzt hieß der Flughafen, wie er festgestellt hatte, Bob Hope Airport – und durch das schrecklichste Verkehrschaos, das er seit seiner Zeit im viktorianischen London erlebt hatte, zum Sunset Boulevard hinuntergefahren.
Zum ersten Mal in seinem langen Leben hatte Dee das Gefühl, als entglitten die Ereignisse seiner Kontrolle. Alles ging viel zu schnell und seiner Erfahrung nach passierten dann Unfälle. Leute – nun ja, genau genommen waren es keine Leute, sondern eher Wesen -, die zu schnell Ergebnisse sehen wollten, bedrängten ihn. Sie hatten ihn gezwungen, gegen Flamel vorzugehen, obwohl er ihnen gesagt hatte, dass er noch ein paar Tage Vorbereitungszeit bräuchte. Und er hatte recht behalten. Weitere vierundzwanzig Stunden, um zu beobachten und zu planen, und er hätte nicht nur Perenelle gehabt, sondern auch Nicholas. Und den gesamten Codex dazu. Dee hatte seine Auftraggeber gewarnt, dass Nicholas Flamel ein harter Brocken sei, aber sie hatten nicht auf ihn gehört. Dee kannte Flamel besser als irgendjemand sonst. Im Laufe der Jahrhunderte war er mehrmals nahe daran gewesen, ihn zu schnappen, sehr nahe daran, doch jedes Mal war es Flamel und Perenelle gelungen, ihm zu entwischen.
Er lehnte sich in dem klimatisierten Wagen zurück, während die Wachen mit ihrer Inspektion fortfuhren, und rief sich noch einmal seine erste Begegnung mit Nicholas Flamel, dem berühmten Alchemysten, ins Gedächtnis.
John Dee wurde 1527 geboren. Seine Welt war die von Elizabeth I. und er diente der Königin in vielen Funktionen: als Berater und Übersetzer, als Mathematiker und Astronom sowie als persönlicher Astrologe. Man überließ es ihm, Tag und Stunde ihrer Krönung festzulegen, und er wählte den 15. Januar 1559 um zwölf Uhr mittags. Er sagte der jungen Prinzessin eine lange Regentschaft vorher. Sie dauerte 45 Jahre.
Dr. John Dee war auch Spion der Königin.
Er spionierte für die englische Krone in ganz Europa und war ihr einflussreichster und mächtigster Agent auf dem Kontinent. Als berühmter Gelehrter und Naturwissenschaftler, Magier und Alchemyst war er an Königshöfen und in Adelspalästen ein gern gesehener Gast. Er gab vor, nur Englisch, Latein und Griechisch zu sprechen, obwohl er in Wirklichkeit ein Dutzend Sprachen beherrschte und noch mindestens ein weiteres Dutzend verstehen konnte, darunter sogar Arabisch und ein paar Brocken Kathay. Er hatte früh begriffen, dass die meisten Leute indiskret waren, wenn sie nicht wussten, dass er jedes Wort verstand, und er nutzte das schamlos aus. Seine vertraulichen und chiffrierten Berichte signierte er mit den Zahlen 007. Es hatte ihn königlich amüsiert, dass Ian Fleming, der mehrere hundert Jahre später James Bond erschuf, diesem den Codenamen 007 gab.
John Dee war einer der mächtigsten Magier seiner Zeit. Er beherrschte Totenbeschwörung und Zauberei, Astrologie und auch die Wahrsagekunst und das Sehen durch fremde Augen. Auf seinen Reisen durch Europa lernte er sämtliche großen Magier und Zauberer seiner Zeit kennen – einschließlich des legendären Nicholas Flamel, des Mannes, der als »der Alchemyst« bekannt war.
Dee erfuhr von der Existenz Nicholas Flamels – der angeblich 1418 gestorben war – rein zufällig. Seine Begegnung mit ihm prägte den Rest seines Lebens und auf vielerlei Weise die Weltgeschichte.
Nicholas und Perenelle waren im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts nach Paris zurückgekehrt und arbeiteten als Ärzte in genau dem Armenkrankenhaus, das sie
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