Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
Rettungsdienst mit heulenden Sirenen vorbeirasten. Eine Reihe knatternder Explosionen erhellte den Nachthimmel hinter ihm, als Benzinkanister Feuer fingen. Die kühle Juniluft stank nach verbranntem Gummi und heißem Öl, nach verkohltem Metall und geschmolzenem Glas.
Nachdem Flamel und die anderen in dem Taxi entkommen waren, war Dee zum Burggraben gerannt, hatte sich auf den Bauch in den Dreck gelegt und den linken Arm an der Stelle in die ölige Pampe getaucht, an der Excalibur versunken war. Der Graben war tiefer, als er erwartet hatte, und sein Arm versank fast bis zum Schultergelenk in der zähen und noch warmen Flüssigkeit. Unter seine Nase platzten Blasen, von deren giftigen Dämpfen ihm schwindelig wurde, und seine Augen brannten entsetzlich. Er tastete herum und suchte verzweifelt, fand jedoch nichts. In der Ferne hörte er Sirenen. Die Flammen über dem brennenden Graben mussten im gesamten Norden von London zu sehen gewesen sein und bestimmt waren jede Menge Anrufe bei der Feuerwehr eingegangen.
Dee grub die Finger der rechten Hand in die weiche Erde und krallte sich fest. Dann rutschte er ein Stück weiter über den Grabenrand und beugte sich tiefer hinunter, bis seine Wange die Flüssigkeit berührte. Wo war es? Ohne das Schwert würde er hier nicht weggehen. Endlich schlossen sich seine Finger über dem länglichen, glatten Stein. Es kostete ihn gewaltige Anstrengung, Excalibur aus dem Schlamm zu befreien. Mit einem schmatzenden Plopp zog er es heraus. Er rollte sich auf den Rücken und drückte es an die Brust. Obwohl er fix und fertig war, lud Dee seine Handfläche mit seiner Aura auf und rieb gelbe Kraft über die Klinge, um den Schlamm und Dreck abzuwischen.
Er rappelte sich auf und sah sich um. Keine Spur von dem Gehörnten Gott oder der Wilden Jagd. Die letzten Tiere der Menagerie, die Shakespeare erschaffen hatte, die Schlangen, Igel und Molche, verblassten langsam und lösten sich schließlich auf wie platzende Ballons. Zurück blieben nur ein paar rußige Reste. Auf dem Autofriedhof sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Überall brannten kleine Feuer und unter der Blechhütte quoll schwarzer Rauch hervor. In der Hütte selbst brannte es ebenfalls. Irgendwo rechts von ihm knackte es in einer Wand aus aufgetürmten Autos unheilverkündend. Dann kam die Blechwand ins Wanken und stürzte donnernd in sich zusammen. Metallteile und Glasscherben flogen durch die Luft.
Dee drehte sich um und rannte auf die Straße. Es überraschte ihn nicht, dass er Bastet und den Wagen, mit dem sie hergekommen waren, nicht mehr vorfand.
Man hatte ihn einfach zurückgelassen. Mehr noch, er war jetzt ganz allein auf sich gestellt.
Dee war sich schmerzlich bewusst, dass er seine Dunklen Gebieter bitter enttäuscht hatte. Und sie hatten keinen Zweifel daran gelassen, was sie im Fall des Falles mit ihm machen würden. Bastet hatte bestimmt schon von seiner Niederlage berichtet. Seine Lippen verzogen sich zu einem hässlichen Lächeln. Irgendwann würde er sich für diese katzenköpfige Kreatur etwas einfallen lassen müssen. Aber nicht jetzt, noch nicht. Er hatte versagt, aber es war noch nicht alles verloren. So weit war es erst, wenn sein Gebieter ihm das Geschenk der Unsterblichkeit entzog, und bevor er ihn wieder sterblich machen konnte, musste er ihn berühren, musste beide Hände auf ihn legen. Das hieß, dass entweder sein Gebieter selbst aus dem Schattenreich kommen oder jemand – beziehungsweise etwas – geschickt würde, um Dee gefangen zu nehmen und mitzuschleppen, damit er vor Gericht gestellt werden konnte.
Aber das würde nicht sofort passieren. Das Ältere Geschlecht hatte ein anderes Verständnis von Zeit als die Humani. Es würde einen Tag, vielleicht auch zwei dauern, bis sie alles für seine Gefangennahme vorbereitet hatten. Und in der Zeit konnte eine ganze Menge passieren.
Selbst in seinen dunkelsten Stunden hatte Dr. John Dee nie eine Niederlage zugegeben und am Ende hatte er immer triumphiert. Er war zuversichtlich, dass er alles wieder wettmachen konnte, wenn er nur die Zwillinge ergreifen und die fehlenden Seiten des Codex finden könnte.
London war immer noch seine Stadt. Seine Firma, die Enoch Enterprises, hatte Büros in dem neuen Wohn- und Büroviertel von Canary Wharf. Er hatte seinen Wohnsitz hier – tatsächlich hatte er sogar mehrere Londoner Wohnungen –, und er hatte Ressourcen, auf die er zurückgreifen konnte: Diener, Sklaven, Verbündete und
Weitere Kostenlose Bücher