Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
hat.«
Machiavelli betrachtete das Foto von Palamedes neben dem Londoner Taxi. Er scrollte nach unten, bis das Nummernschild erschien. »Die Hauptstadt von Großbritannien hat mehr Überwachungskameras für den Verkehr und die allgemeine Sicherheit als jede andere Stadt in Europa«, sagte er zerstreut. »Sogar mehr als Paris. Aber sie benutzen dasselbe System zur Verkehrsüberwachung wie wir hier.« Zwei der Bildschirme wurden schwarz, dann leuchteten kurze Codesequenzen auf, als Machiavelli sich in die Londoner Verkehrskameras einhackte. »Und dieselbe Software.«
Der Italiener lud einen Stadtplan von London mit hoher Auflösung, fand das Buxton Monument in den Victoria Tower Gardens beim Parlament und klickte auf die am nächsten stehende Ampel. Sechzig Sekunden später sah er durch das Kameraauge, was sich auf der Straße abspielte. Er beobachtete die Zeitanzeige und spulte zurück: 2:05 … 2:04 … 2:03 … Der Verkehr floss spärlich und er ließ das digitale Video im Schnelldurchlauf zurückfahren und im Abstand von fünf Minuten anhalten. Die Zeitanzeige war bis 00:01 zurückgelaufen, bevor er fand, wonach er suchte. Ein schwarzes Taxi hielt an der Ampel fast direkt gegenüber dem Monument. Ein Obdachloser kam aus dem Park geschlurft und reinigte die Scheibe. Das Taxi blieb vor der Ampel stehen, obwohl diese auf Grün umsprang. Dann stieg der Obdachlose hinten ein und das Taxi fuhr davon.
»Ich habe ihn«, sagte er. »Sie fahren westwärts Richtung A302.«
»Mit welchem Ziel?« , fragte Machiavellis Gebieter. »Ich will wissen, welches Ziel sie ansteuern.«
»Einen Augenblick …« Mit illegalen Zugangscodes sprang Machiavelli von Kamera zu Kamera und verfolgte das Taxi anhand seines Nummernschilds über den Parliament Square, den Trafalgar Square und Picadilly zur A4. »Sie verlassen London«, konnte er endlich berichten.
»In welcher Richtung?«
»Nach Westen auf die M4.«
»Wohin fahren sie?« , zischte der Erstgewesene. »Warum verlassen sie London? Wenn sie Gilgamesch dazu bringen wollen, dass er die Zwillinge in einem Zweig der Elemente-Magie unterweist, könnte er das doch auch in einer konspirativen Wohnung in der Stadt machen, oder?«
Machiavelli verbesserte die Auflösung des Stadtplans und suchte nach irgendwelchen aussagekräftigen Hinweisen entlang der Strecke. »Stonehenge«, sagte er plötzlich. »Ich wette, sie fahren nach Stonehenge. Er ist auf dem Weg zu den Kraftlinien auf der Ebene von Salisbury«, verkündete er überzeugt.
»Die Tore wurden seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt« , entgegnete der Erstgewesene. »Selbst wenn er das richtige Tor erwischt, braucht es immer noch eine mächtige Aura, um es zu aktivieren.«
»Und Gilgamesch hat keine Aura«, bemerkte Machiavelli sehr leise. »Der Alchemyst müsste es selbst machen, aber das wäre Selbstmord. In seinem geschwächten Zustand würde die Anstrengung ein Loch in seine Aura brennen und ihn innerhalb von Sekunden vernichten.«
»Das würde vielleicht gerade reichen, um das Tor zu öffnen und die Zwillinge durchzuschieben.«
Machiavelli verfolgte auf dem Bildschirm den Weg des schwarzen Taxis über die A4. Im Licht der Straßenlaternen schimmerte es gelb. »Würde Nicholas Flamel sich für die Zwillinge opfern?«, überlegte er laut.
»Glaubt er – wirklich und wahrhaftig –, dass dies die richtigen Zwillinge sind?«
»Ja. Dee glaubt es auch und ich ebenfalls.«
»Dann habe ich keine Zweifel, dass er sich opfern würde, um sie zu retten.«
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagte Machiavelli. »Könnte er das Tor nicht auch von den Zwillingen öffnen lassen? Wir wissen, dass ihre Auren ungeheuer stark sind.«
Am anderen Ende der Leitung war es lange still. Der Italiener hörte lediglich geisterhafte Liedfetzen wie aus einem weit entfernten Radio. Allerdings handelte es sich bei dem Lied um ein Marschlied aus Sparta. »Das Tor von Salisbury führt zur Westküste der Vereinigten Staaten nördlich von San Francisco.«
»Das weiß ich auch«, sagte Machiavelli.
»Wir werden entsprechende Pläne ausarbeiten« , kündigte der Erstgewesene an.
»Und was genau heißt das …«, begann Machiavelli. Doch die Verbindung war unterbrochen.
K APITEL S ECHSUNDVIERZIG
J oshs rechte Hand schoss nach vorn und die Finger legten sich um Gilgameschs Handgelenk. Er drückte zu und verdrehte es in einer einzigen Bewegung. Der König ließ das Messer fallen und die Klingenspitze bohrte sich in die Gummimatte auf dem Boden.
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