Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
nachspionierte. Sie hatte sich die wärmste Stelle auf der Insel gesucht, wo die weißen Steine des Leuchtturms in der Sonne brieten, hatte eine flache Schale mit Wasser gefüllt, sich hingesetzt und gewartet, bis die Nachmittagssonne ihre Aura aufgeladen hatte. Dann hatte sie de Ayala gebeten, die übrigen Geister von Alcatraz von ihr fernzuhalten, während sie ihre unsichtbaren Schutzhüllen fallen ließ. Sie hatte ihn auch gebeten, sie zu warnen, falls die Krähengöttin kam. Sie traute ihr nicht hundertprozentig.
Die Verbindung zu der Schattenhaften herzustellen, war erstaunlich einfach gewesen. Perenelle kannte Scathach schon seit Generationen. Sie konnte sie sich ganz genau vorstellen: das leuchtend rote Haar und die strahlend grünen Augen, das runde Gesicht und die zarten Sommersprossen auf der geraden Nase. Ihre Fingernägel waren immer abgeknabbert. Sie sah aus wie ein siebzehnjähriges Mädchen, war in Wirklichkeit aber über zweieinhalbtausend Jahre alt und die beste Kampfsportlerin der Welt. Sie hatte fast alle legendären Krieger und Helden ausgebildet und den Flamels mehr als einmal das Leben gerettet. Die hatten sich dafür revanchiert. Obwohl die Schattenhafte über achthundert Jahre älter war als Perenelle, sah die, wenn nicht eine Tochter, so doch eine Nichte in ihr. »Sag mir, was passiert ist, Scatty«, bat sie.
»Nicholas und die Zwillinge sind nach London geflohen. Er wollte die beiden zu Gilgamesch bringen.«
»Das weiß ich. Nicholas hat es mir erzählt. Er hat auch gesagt, dass beide Zwillinge erweckt worden seien.«
»Beide«, bestätigte Scatty. »Sophie wurde in zwei Zweigen der Elemente-Magie ausgebildet, aber Josh hat noch keine Ausbildung. Dafür hat er Clarent.«
»Clarent«, murmelte Perenelle. Sie war dabei gewesen, als ihr Mann die Waffe im Fenstersturz ihres Hauses in der Rue du Montmorency versenkt hatte. Sie hätte das Schwert lieber vernichtet, doch er hatte mit dem Argument abgelehnt, dass es älter sei als viele Zivilisationen und sie kein Recht hätten, es zu zerstören. Außerdem, hatte er hinzugefügt, sei es wahrscheinlich ohnehin unmöglich, die Klinge unbrauchbar zu machen.
»Und wo bist du?«, fragte Perenelle.
»In Paris.« Scathachs Gesicht war mal deutlich zu sehen, mal verschwommen. »Es ist eine sehr lange Geschichte. Teile davon sind ziemlich langweilig. Besonders die, als Dagon mich in die Seine gezogen hat …«
»Er hat dich in die Seine gezogen?« Das hatte Nicholas ihr nicht erzählt.
»Ja, kurz nachdem sie mich vor Nidhogg gerettet hatten, der durch die Straßen von Paris getobt war.«
Perenelle blickte mit offenem Mund in die Schale. Schließlich fragte sie: »Und wo waren Nicholas und die Zwillinge in der Zeit?«
»Sie waren es, die den Nidhogg durch die Straßen gejagt und mich gerettet haben.«
Die Zauberin blinzelte überrascht. »Das klingt nicht nach meinem Nicholas.«
»Ich vermute mal, es ging auch eher auf das Konto der Zwillinge«, meinte Scathach. »Vor allem auf das von Josh. Er hat mir das Leben gerettet. Ich glaube, er hat den Drachen getötet.«
»Und dann bist du in den Fluss gefallen«, sagte Perenelle.
»Ich wurde hineingezogen«, korrigierte Scathach sie sofort. »Dagon ist wie ein Krokodil aufgetaucht und hat mich gepackt.«
»Hast du auf der Insel Capri nicht schon einmal gegen ihn und einen Schwarm Fischmenschen aus dem Potamoi gekämpft?«
Wieder blitzten Scattys gefährliche Vampirzähne auf. »Doch, das war ein super Tag!« Dann erlosch ihr Lächeln. »Aber danach ist er als Mitarbeiter von Machiavelli in Paris aufgetaucht.«
»Dass der Italiener in Paris ist, habe ich gehört.«
»Er ist der oberste Chef des Geheimdienstes oder so. Ich war nur halb bei Bewusstsein, als Dagon mich unter Wasser gezogen hat. Aber die Seine war so kalt, dass ich durch den Schock sofort wieder zu mir gekommen bin. Wir haben stundenlang gekämpft, während die Strömung uns flussabwärts getrieben hat. Es war nicht mein schwierigster Kampf, aber Dagon war in seinem Element und das Wasser hat meinen Schlägen viel von ihrer Kraft genommen.«
»Wie ich sehe, hat er dir das Gesicht zerkratzt.«
»Reine Glücksache«, schnaubte Scatty. »Ich habe ihn irgendwo bei Les Damps verloren und dann zwei Tage gebraucht, bis ich wieder in der Stadt war.«
»Bist du jetzt in Sicherheit?«
Die Schattenhafte lächelte. »Ich bin bei Johanna und Saint-Germain.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Sie sind verheiratet!«
Sie trat zurück, und ein
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