Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
frischer Sachen auf der Haut genoss, hatte sich eine Tasse Tee aufgebrüht und schaute nun über die Stadt, die er kontrollierte. Als er so am Fenster stand, den Blick auf das ausgedehnte Straßennetz gerichtet, wurde ihm bewusst, was für eine ungeheure Aufgabe vor ihm lag: Er hatte keine Ahnung, wohin Flamel die Zwillinge gebracht hatte.
Natürlich hatte er Spione in London – menschliche wie nicht menschliche. Söldner der Nächsten Generation und Unsterbliche waren in den Straßen unterwegs. Sie alle hatten aktuelle Beschreibungen des Alchemysten und der Zwillinge und er würde Palamedes und den Dichter ebenfalls auf die Liste setzen. Er würde die Belohnung verdoppeln, nein, verdreifachen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand die kleine Gruppe entdeckte.
Aber er hatte keine Zeit.
Sein Handy vibrierte in seiner Brusttasche und spielte dann die ersten Takte der Filmmusik von Die Akte X . Er verzog das Gesicht; plötzlich erschien ihm das nicht mehr so witzig. Er stellte die Teetasse ab, zog das Handy aus der Tasche und hielt es eine Sekunde lang in der Faust, bevor er aufs Display blickte. Es war die unmöglich lange und ständig wechselnde Nummer, die er erwartet hatte. Er war überrascht, dass sie sich erst jetzt meldeten. Vielleicht hatten sie darauf gewartet, dass er von sich aus Bericht erstattete. Sein Finger schwebte über der grünen Antwort-Taste, aber ihm war klar, dass die Erstgewesenen in dem Moment, in dem er sie drückte, wussten, wo er sich befand. Und ob er dann noch lange genug lebte, um seinen Tee auszutrinken, bezweifelte er.
Dr. John Dee steckte das Handy wieder in die Tasche und nahm seine Tasse wieder auf.
Einen Augenblick später hatte er das Handy erneut herausgefischt und wählte eine Nummer aus dem Speicher. Sein Anruf wurde nach dem ersten Läuten entgegengenommen. »Du musst mir einen Gefallen tun.«
Niccolò Machiavelli sprang von seinem Stuhl auf. »Un favore?«, fragte er auf Italienisch. Unbewusst war er in seine Muttersprache verfallen.
» Favore , ja, einen Gefallen«, wiederholte Dee. »Du hast bestimmt schon von meinem kleinen Problem gehört.«
»Ich sehe mir gerade in den Nachrichten die Reportage über ein Feuer in London an«, erwiderte Machiavelli vorsichtig. Er war sich bewusst, dass alles, was er sagte, aufgezeichnet werden konnte. »Ich nehme an, du hast etwas damit zu tun.«
»Flamel und die anderen sind in einem Wagen geflohen«, fuhr Dee fort. »Ich muss sie aufhalten.«
»Dann bist du immer noch hinter ihnen her?«
»Bis zu meinem Tod«, antwortete der Magier, »der früher eintreten könnte, als mir lieb wäre. Aber ich habe meinen Meistern geschworen, meine Pflicht zu tun. Du verstehst, was das Wort Pflicht bedeutet, Machiavelli, ja?«
»Oh ja.« Der Italiener setzte sich wieder. »Was erwartest du von mir?« Er sah auf die Uhr. Es war 5:45 Uhr in Paris. »Und vergiss nicht, dass ich in ein paar Stunden nach San Francisco fliege.«
»Du musst nur einen Anruf für mich tätigen, das ist alles.«
Machiavelli schwieg. Er war nicht willens, Ja zu sagen, da er wusste, welche gefährlichen Folgen diese Unterhaltung haben konnte. Sein Gebieter und der von Dee waren sich nicht grün, auch wenn sie beide dasselbe Ziel verfolgten: die Rückkehr der Dunklen Älteren auf die Erde. Und Machiavelli wusste, dass er das Erreichen dieses Ziels nach außen hin in jeder erdenklichen Weise unterstützen musste. Sobald die Dunklen Älteren zurückgekehrt waren, würde der echte Machtkampf erst richtig losgehen. Natürlich hoffte er, dass sein Gebieter und dessen Anhänger als Sieger daraus hervorgingen, aber wenn Dees Gebieter an die Macht kamen, wäre es vielleicht ganz nützlich, Dee als Verbündeten zu haben. Machiavelli lächelte und rieb sich die Hände. Sein raffiniertes Taktieren erinnerte ihn an die gute alte Zeit der Borgias.
»Als Kopf des französischen Geheimdienstes«, fuhr Dee fort, »stehst du doch bestimmt in Kontakt mit deinen britischen Amtskollegen, nicht wahr?«
»Selbstverständlich.« Machiavelli wusste plötzlich, wie die nächste Frage lauten würde. »Ich werde sie anrufen«, sagte er rasch, »und sie darüber informieren, dass die Terroristen, auf deren Konto die Anschläge in Paris gehen, sich jetzt in London aufhalten. Die britischen Behörden reagieren sicher schnell und schließen die Flughäfen und Bahnhöfe.«
»Wir brauchen auch Straßenblockaden und Personenkontrollen.«
»Sollte möglich sein.« Machiavelli lachte in sich
Weitere Kostenlose Bücher