Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
unbequeme Couch in Prometheus’ Gästehaus gelegt hatte. Dann war da dieser Traum gewesen … ein langer, langweiliger Traum.
Oder war es gar kein Traum?
Er saß auf einem hohen Hocker in einem modernen Apartment und Dr. John Dee und die Frau, die ihm irgendwie bekannt vorkam, beobachteten ihn.
»Du bist wach?«, fragte Dee. Es klang überrascht.
Aus Verwirrung wurde Angst, die sich rasch in Wut verwandelte. »Was habt ihr mit mir gemacht?« Aus einem Instinkt heraus schnappte Josh sich Clarent und rutschte vom Hocker. Er umklammerte das Schwert mit beiden Händen und sofort spürte er, wie die vertraute Wärme seinen Körper durchströmte und seine Aura sich als vergoldete Rüstung um ihn legte. Rasch blickte er sich um und versuchte sich zu orientieren. »Wo bin ich? Wo ist meine Schwester? Was habt ihr mit Sophie gemacht?«
Den Codex fest an die Brust gedrückt trat Dee so dicht an Josh heran, dass die Spitze des waagrecht gehaltenen Schwerts ihn fast berührte. »Erinnerst du dich an deinen Traum, Josh? Der Traum von der langen Autofahrt?«
Josh wich einen Schritt zurück und nickte.
Dee trat einen Schritt vor. »Das war kein Traum.«
»Was hast du getan – mich verhext?«, fragte Josh entsetzt.
Dee zuckte mit den Schultern. »Ich mag das Wort verhext nicht, es klingt so altmodisch. Technisch gesehen habe ich Mars Ultor gebeten, dich zu rufen. Du bist mit ihm verbunden und wirst das für den Rest deines Lebens auch bleiben.«
»Wo bin ich?«, fragte Josh noch einmal, obwohl er die Antwort bereits zu kennen meinte.
»Du weißt, wo du bist. In San Francisco, gleich unterhalb des Coit Tower, in den Räumen der Enoch Enterprises , meiner Firma.«
Clarent zitterte in Joshs Händen. Seine Hände und die Unterarme steckten in goldenen Handschuhen, doch an den Handflächen und den Unterseiten der Finger, die das Schwert berührten, hatte sich das Edelmetall rostrot verfärbt.
»Danke, dass du gekommen bist«, fuhr Dee fort. Er lächelte, als sei nichts Ungewöhnliches an der Situation. Dann drehte er sich halb um. »Das ist meine Partnerin, Miss Virginia Dare.«
Die Frau nickte ihm zu, lächelte jedoch nicht. Josh fiel auf, dass sie einen hölzernen Stab – eine Flöte? – in der Hand hielt.
»Miss Dare ist genau wie ich unsterblich.« Rasch wandte Dee sich wieder Josh zu. »Würde dir das gefallen? Würdest du auch gern unsterblich werden?«
Josh blinzelte überrascht. Als er Flamel und später Scathach und Aoife darüber hatte reden hören, hatte er sich kurz gefragt, wie es wohl wäre, ewig zu leben, doch ernsthaft darüber nachgedacht hatte er nie. »Ich weiß nicht«, antwortete er.
»Ich kann dich nicht unsterblich machen und Virginia kann es auch nicht, aber wir kennen Ältere, die dir diese Gabe verleihen könnten«, fuhr Dee fort. »Wahrscheinlich würde sogar Mars dich unsterblich machen, wenn du ihn darum bitten würdest.«
Die bizarre Situation brachte Josh völlig aus der Fassung. Verwirrt blickte er von dem Magier zu der Frau. »Ich weiß nicht, ich …«
»Er ist zu jung, um unsterblich zu werden«, meldete Virginia sich unvermittelt. »Er ist noch ein Junge und würde ewig ein Junge bleiben. Frag ihn in fünf Jahren noch einmal.«
Dee lächelte und seine grauen Augen blitzten. »In fünf Jahren. Ja, das ist eine gute Idee. Wir fragen dich dann noch einmal. In der Zwischenzeit kannst du dir ja überlegen, ob du ewig einundzwanzig bleiben möchtest«, meinte er leichthin.
»Ich möchte jetzt gehen«, sagte Josh und blickte sich um. Wie kam er wohl wieder aus diesem Apartment hinaus?
»Selbstverständlich.« Der Magier zeigte ihm mit der Hand, die den Codex hielt, die Richtung. »Da drüben ist ein Aufzug und in der Ecke eine Treppe.«
Josh blinzelte überrascht. »Ich kann einfach so gehen?«
»Natürlich.« Dee lachte. »Ich bin doch nicht dein Feind, Josh. Das war ich nie. Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, habe ich dir gesagt, wer die Flamels sind – was sie sind. Nicht wahr?«
Josh nickte und ließ langsam das Schwert sinken.
»Du warst – wie lange? – eine Woche mit ihnen zusammen, und ich möchte behaupten, dass du in dieser Zeit auch selbst einige unerfreuliche Dinge über sie herausgefunden hast.«
Wieder nickte Josh.
»Und die Frage ist natürlich: In welchen weiteren Punkten haben sie dich noch angelogen?«
»Wir haben von den anderen Zwillingen erfahren«, bekannte Josh. Er musste wieder daran denken, wie unterschiedlich Dee und Flamel doch waren. Der
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