Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
sprang von ihrem Stuhl auf, als Josh die Fahrertür aufstieß und aus dem roten Thunderbird stieg. Aoife legte ihr die Hand auf die Schulter und übte nur einen ganz leichten Druck aus, aber die Warnung war unmissverständlich: Rühr dich nicht vom Fleck!
Perenelle stieg hinten aus und Flamel drückte mühsam die Beifahrertür auf. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich aufrichtete.
Niten trat neben Aoife; er hielt locker zwei unterschiedlich lange japanische Schwerter in den Händen. »Ganz ruhig«, sagte er leise und Sophie war sich nicht sicher, ob er sie oder Aoife meinte.
»Sophie, ist alles in Ordnung?« Josh trat einen Schritt vor, doch Flamel streckte den Arm aus und stoppte ihn.
»Alles okay«, rief sie zurück. Das Dock war nur wenig höher als das Hausboot und Sophies Gesicht war auf einer Höhe mit dem ihres Zwillingsbruders, doch der Abstand zwischen ihnen betrug knapp zehn Meter. Ohne den Kopf zu drehen, sagte sie: »Ich habe dir doch gesagt, dass er mich findet.«
»Er steckt voller Überraschungen«, erwiderte Aoife leise. Und laut rief sie: »Wie hast du mich gefunden?«
Die Frage war an Josh gerichtet, doch die Antwort kam von Perenelle. Sie ging um ihren Mann herum und trat an den Rand des Docks. »Du hast nur wenige Freunde in Amerika, Aoife, und noch weniger in dieser Stadt. Du konntest dich an niemanden wenden … außer an den Schwertkämpfer natürlich. « Sie verbeugte sich leicht in Richtung des Japaners, die Handflächen an die Oberschenkel gelegt.
Er dankte für die höfliche Geste, indem er sich ebenfalls verbeugte und dabei den Kopf neigte, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Zauberin, ich habe viel über dich gehört und genauso über deinen Mann.«
»Wir waren in deinem Dojo und haben festgestellt, dass du nicht zum morgendlichen Unterricht erschienen bist. Danach sind wir bei dir zu Hause vorbeigefahren. Als ich gesehen habe, dass die Morgenzeitung noch in deiner Auffahrt lag, wusste ich, dass du nicht da bist.«
»Du weißt, wo ich wohne?«, fragte er vorsichtig.
»Ich weiß alles, was es über dich zu wissen gibt, Schwertkämpfer. «
»Und woher wusstest du, dass ich hier bin?«
»Du bist am Wochenende meistens hier, um an dem Boot zu arbeiten.«
»Woher weißt du das?«
Perenelle lächelte nur, antwortete aber nicht darauf.
»Mir war nicht bewusst, dass ich ein Wesen mit Gewohnheiten und Routine geworden bin.« Niten verbeugte sich erneut. »Für einen Krieger gibt es nichts Gefährlicheres. Außerdem wusste ich nicht, dass ich beobachtet werde«, fügte er hinzu.
»Nicht alle meine Spione waren Humani«, gab die Zauberin zu.
»Trotzdem, ich hätte sie bemerken müssen. Ich muss wohl träge geworden sein auf meine alten Tage.«
»Und wir wissen beide, wie gefährlich das ist. Nicht wahr?«, entgegnete Perenelle. »Trägheit ist auch des stärksten Kriegers Tod.«
»Es wird dir nicht gelingen, mir noch einmal zu folgen«, versicherte der Schwertkämpfer. Er hatte den Kopf schräg gelegt und ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen.
»Das weiß ich.«
»Warum hast du mir das alles erzählt?«, fragte er.
»Nicholas und mir hat es gereicht, dass wir dich beobachten konnten, und nachdem uns klar war, dass du uns nicht schaden willst, haben wir dich in Ruhe gelassen. Aber was wir getan haben, können andere auch … Und ihr wärt ein Hauptgewinn, du und deine legendären Schwerter.«
»Das ist ja alles ausgesprochen interessant«, unterbrach Aoife unhöflich, »aber was genau wollt ihr eigentlich?«
»Wir sind wegen des Mädchens gekommen. Und um mit dir zu reden«, antwortete Flamel.
»Und wenn ich mich weigere?«
Flamel seufzte. »Mir geht es heute ausgesprochen schlecht und Perenelles Laune ist auch nicht die beste. Du willst uns doch bestimmt nicht verärgern, oder?«
»Ich habe keine Angst vor dir, Alchemyst«, fauchte Aoife.
»Das solltest du aber«, flüsterte Flamel. »Und Perenelle sollte dich in Panik versetzen.«
»Wir sollten uns anhören, was sie zu sagen haben«, sagte Niten ungefragt. »Gerade eben wolltest du noch mit ihnen reden«, erinnerte er Aoife.
»Ja, aber nicht hier und nicht jetzt.«
»Rede mit ihnen«, drängte Sophie.
»Halt den Mund.«
»So etwas sagst du nie mehr zu mir!«, rief Sophie wütend. Sie hasste nichts mehr, als wenn Erwachsene sie abkanzelten.
Aoife sah sie überrascht an, doch bevor sie etwas erwidern konnte, trat Niten an den Rand des Hausbootes und blickte von dem Alchemysten zur Zauberin. »Gebt mir
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