Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
nicht«, flüsterte Kukulkan, »aber eines Tages hole ich das nach. Ich habe ein gutes Gedächtnis und werde nicht vergessen, was du hier getan hast.« Der Ältere erhob sich und ging zur Tür, blieb dort stehen und verdrehte den Kopf in einem unmöglichen Winkel, um den Amerikaner noch einmal anzuschauen. »Das Macuahuitl kannst du wieder dorthin zurücklegen, wo du es herhast. Aber geh vorsichtig damit um; es ist älter als die Humani es sind.« Damit verließ er den Raum und ging auf die Wiese mit dem hohen Gras zu. Der Luchs begleitete ihn und passte sich seinem Schritt an.
Billy klopfte Machiavelli auf die Schulter. »Wenn du mich fragst, ist das echt gut gelaufen, oder?«
Der Italiener erhob sich und klopfte seinen ruinierten Anzug ab. »Was Verhandlungstaktik angeht, könnte ich dir noch eine Menge beibringen.«
»Ich verhandle nie«, erklärte Billy mit Bestimmtheit.
»Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, junger Freund: Es ist nie klug, ein Wesen des Älteren Geschlechts zu verärgern. Er hat lediglich versprochen, dass er dich heute nicht umbringen wird.«
»Wenn wir schon bei den guten Ratschlägen sind, will ich dir auch einen geben«, sagte Billy. Er legte das Macuahuitl ins Regal zurück und drehte es so, dass die schwarzen Scherben die Sonnenstrahlen reflektierten und regenbogenfarbenes Licht in den düsteren Raum schickten. »Ein alter Pistolenheld hat mir einmal gesagt, dass man seine Waffe nie zieht, es sei denn, man ist bereit zu schießen, und dass man es nie – aber auch gar nie – vorher ankündigt, wenn man seine Waffe ziehen will. Man tut es einfach.« Er lächelte und man sah seine großen Schneidezähne. »Es ist ein Riesenfehler, jemandem zu sagen, was man mit ihm machen will … Könnte sein, derjenige beschließt, es mit dir zuerst zu tun.« Er drehte sich um und blickte Kukulkan nach. »Wenn das alles hier vorbei ist, werden wir zwei uns mal unterhalten, ernsthaft unterhalten. «
Machiavelli verbeugte sich. »Mir gefällt deine Einstellung.« Er ging nach draußen und blinzelte in die Sonne. »Und wie kommen wir jetzt zur Insel?«
Billy hielt sein Handy hoch. »Ich rufe den Schwarzen Falken an.«
»Er wird sich sicher wundern, dass wir beide noch am Leben sind.«
Der unsterbliche Amerikaner schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Black Hawk weiß, dass man mich nicht umbringen kann. Er hat es oft genug selbst versucht.« Er blieb stehen, als ihm plötzlich etwas einfiel. »Was passiert eigentlich mit jemandem, dessen Gebieter stirbt? Verliert der dann seine Unsterblichkeit?«
Machiavelli schüttelte den Kopf. »Nein, man bleibt in einem solchen Fall unsterblich. Es gibt niemanden mehr, der dir etwas vorschreiben kann … und niemanden, der deine Unsterblichkeit aufheben kann.«
»Interessant.« Billys eisblaue Augen folgten Kukulkan, bis er im hohen Gras verschwunden war. »Hast du je daran gedacht, deinen Gebieter umzubringen?«
»Nie«, sagte Machiavelli.
»Warum nicht?«
»Weil es ja auch sein könnte, dass einmal der Tag kommt, an dem ich möchte , dass meine Unsterblichkeit aufgehoben wird. Der Tag, an dem ich alt werden und sterben will.«
KAPITEL NEUNUNDDREISSIG
S pielen nicht einige deiner Stücke in Wäldern wie diesem hier?«, erkundigte sich Saint-Germain im Plauderton.
»Nur die Komödien«, antwortete Shakespeare flüsternd. »Und meine Wälder waren immer von freundlicheren Kreaturen bevölkert. Dieser Ort hat etwas Böses.«
Palamedes blieb unvermittelt stehen und Saint-Germain und Shakespeare liefen beide in ihn hinein. »Wollt ihr zwei wohl still sein?«, sagte er. »Ihr macht so viel Lärm wie eine Herde Elefanten. Und eines könnt ihr mir glauben: In diesem Wald gibt es Dinge, die nicht einmal ich wecken will.«
»Laut oder leise spielt überhaupt keine Rolle«, murmelte Saint-Germain. »Sie wissen ohnehin, dass wir hier sind, jede Wette. Sie wussten es von dem Augenblick an, als wir ausgestiegen sind.«
»Selbstverständlich wissen sie, dass wir hier sind. Wir werden verfolgt«, fügte Shakespeare hinzu.
Die beiden Unsterblichen sahen ihn an. Obwohl es stockdunkel war in dem Wald, erlaubten ihre geschärften Sinne es ihnen, die Dinge um sie herum erstaunlich deutlich zu erkennen, wenn auch ohne Farbe. Palamedes blickte Saint-Germain an, der leicht den Kopf schüttelte. Sie hatten beide nicht gemerkt, dass sie verfolgt wurden.
Shakespeare schob seine große Brille mit dem Zeigefinger den Nasenrücken hinauf und lächelte, legte aber
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