Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
…
Und dann die schockierende Erkenntnis, dass es sich nicht um Waffen handelte, sondern um mehr. Um viel, viel mehr.
» John! «
Der Magier drehte langsam den Kopf und blickte Virginia an, und als sie sein Gesicht sah, verschlug es ihr die Sprache. In seinem Blick lag etwas Uraltes, Außerweltliches. Starr vor Schreck beobachtete sie, wie er die Waffe vor sein Gesicht hob.
Feuer.
Weißglühendes Feuer umloderte das Steinschwert.
Eis.
Eis knackte und umschloss Klinge und Griff.
Plötzlich veränderte sich das Schwert, es wurden wieder zwei daraus, und Dee stand da mit Clarent, umzingelt von rotschwarzen Flammen, in der linken Hand und Excalibur, das blaues Feuer sprühte, in der rechten.
»Wo willst du sein, Virginia?« Seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern.
»Ganz egal, nur nicht hier.«
Die Cucubuths waren dicht herangekommen. Sie umkreisten die Schwerter vorsichtig. Die Raben lachten Odins Lachen.
»Soll ich dir sagen, wo ich sein will?«, fragte Dee. Seine Arme malten zwei große Kreise in die Luft – glühend rot und knisternd blau. Die Kreise überlappten sich in der Mitte und bildeten ein schmales Oval, das schimmerte wie schmelzendes Eis.
»John, du machst mir Angst.«
»Ich möchte nach Hause gehen«, sagte Dee. Er trat in das Oval und verschwand. Im selben Augenblick erlosch das Feuer und das Eis begann zu schmelzen. Die Cucubuths heulten auf und stürmten vorwärts. Die Raben kreischten.
Virginia schloss die Augen und warf sich in das glühende, schmelzende Oval …
… und öffnete die Augen wieder, als sie die Sonne auf ihrem Gesicht spürte. Sie atmete salzige Luft und stellte fest, dass sie im Gras lag und Verkehrslärm hörte. Das Hupen der Autos klang in ihren Ohren plötzlich melodischer als jedes Musikstück. Sie setzte sich auf und blickte sich um. Dee saß neben ihr. An seiner Seite lagen Excalibur und Clarent, das eine in einer zugefrorenen Pfütze, das andere auf einem länglichen Stück verbrannter Erde.
»John, deine Hände …«, begann Virginia entsetzt.
Dee hob die Hände. Sie waren beide schwarz verkohlt; man sah das rohe Fleisch und es bildeten sich bereits die ersten Blasen. »Hätte schlimmer ausgehen können.« Er verzog das Gesicht.
Virginia stand auf und sah sich erneut um. Ganz in der Nähe hörte sie Stimmen. Ringsum standen Bäume und dahinter konnte sie Gebäude erkennen. Eines, ein Hochhaus, kam ihr bekannt vor – mehr als bekannt. »Was hast du getan, John? Wo sind wir? Sag mir, dass wir nicht wieder in irgendeinem Schattenreich gelandet sind.«
»Mir wurde plötzlich klar, wozu die Schwerter in der Lage sind«, erwiderte Dee leise. »Nein, klar werden ist der falsche Ausdruck. Mir wurde gesagt , wozu die Schwerter in der Lage sind.« Als er sich Virginia zuwandte, fielen ihr die winzigen blauen und roten Pünktchen in seinen grauen Augen auf. Sie erinnerten an Eis und Asche. »Die Wesen des Älteren Geschlechts haben mit den Schwertern die Schattenreiche erschaffen. Aber die Archone benutzten sie zum Errichten von Krafttoren.«
»Du hast ein Krafttor geschaffen!« Virginia blickte fassungslos auf ihn hinunter. »Das ist selbst für dich eine beeindruckende Leistung, John. Und was ist aus den Cucubuths und den Krähen geworden?«
»Gefangen bis in alle Ewigkeit … Es sei denn, Odin macht sich auf die Suche nach seinen Vögelchen.«
»Wie hast du uns hierher gebracht?«, fragte Virginia.
Dee lächelte unter Schmerzen. »Ich habe mir einfach nur vorgestellt, wo ich sein wollte – « Er hielt abrupt inne und sah wieder auf seine Hände. »Die tun so langsam richtig weh.«
»Gib etwas Aloe vera darauf«, riet Virginia automatisch. »Aber wo genau sind wir?«
»Im Pioneer Park in San Francisco.« Er drehte sich in die Richtung, in welcher der Coit Tower über die Baumwipfel hinausragte. »Fünf Minuten von meinem Zuhause entfernt.«
KAPITEL DREIUNDVIERZIG
D ann gibt es also vier Monde – und das soll gut sein?« Johanna von Orléans stand am Höhleneingang und betrachtete die vier Monde: einer riesig und gelb, einer etwas kleiner und bräunlich, der dritte leuchtend smaragdgrün und der vierte farblos. Die zierliche Französin fuhr sich über das kurz geschnittene Haar. »Es gibt so viel, was ich nicht weiß, und Astronomie gehört nicht zu meinen stärksten Fächern, aber selbst mir ist bekannt, dass die Erde keine vier Monde hat und auch noch nie vier Monde hatte.«
Das Mondlicht ließ Scattys rotes Haar
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