Nicht die Bohne!
F66« erschöpft mich dann aber ziemlich schnell so sehr, dass ich doch lieber zurück ins Bett wanke. In der Nacht träume ich von Simon, abgebrochenen Bolzen mit dem fetten Aufdruck F66 und roter Paprika garniert mit einer Skibrille. Mein Unterbewusstsein scheint zurzeit nicht ausgelastet zu sein.
Kapitel 20
Am nächsten Tag bin ich entsprechend müde. So müde, dass ich so grundsätzliche Dinge wie Frühstücken und das vorschriftsgemäße Verpacken der Brüste vergesse und somit zweimal wieder nach oben laufen muss, nachdem ich jeweils schon ins Auto gestiegen war.
Als ich endlich auf dem Hof parke, stürmt Harry gerade in höchster Verzückung aus der Scheune. Die Stachelfrisur liegt heute schlecht und bildet einen Kranz aus harten Borsten um seinen hageren Schädel, aber er strahlt über das ganze Gesicht, als er mir im Vorbeieilen zuruft: »Frau Kottbrügge hat eine Ovulation!«
Noch vor sechs Wochen hätte ich freundlich geschaut und mir gedacht: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten? Alle verrückt?« Heute weiß ich: Frau Kottbrügge, die Burenziege, hat einen Eisprung, was sofortiges Handeln erforderlich macht, um den Bock zu der paarungswilligen Ziege zu schaffen.
Asaisonale Rassen, da gehören Buren- und Zwergziegen dazu, bocken nämlich ganzjährig alle drei Wochen. Und da Frau Kottbrügge diese wichtige Information über ihr rassetypisches Ovulationsverhalten schlicht ignoriert, dafür aber über herausragendes Genmaterial verfügt, bockt sie nur alle sechs bis neun Wochen, was dann wiederum Harrys vollen Einsatz erfordert. Jetzt muss der Bock ran, ob er will oder nicht. Wie Harry allerdings erkennt, wann die Ziege ovuliert, weiß ich bis heute nicht. Ich will es auch nicht wissen, weil es bestimmt, wie so viele Dinge in der Tierzucht, höchst unappetitlich ist.
In der Küche begrüßt mich Elena mit einem breiten Grinsen. Neben ihr sitzt Simon, dessen Gesichtsausdruck allerdings eher etwas versteinert wirkt. Elena springt auf und eilt zu mir, um mich mütterlich an ihren großen Busen zu drücken. Da meiner mittlerweile durchaus ebenbürtig ist, kollidieren wir kurz mit unserer Oberweite, dann drückt sie mir beherzt die Schultern.
»Ich hab’s ihr erzählt. Ich hoffe, das war okay«, lässt Simon hinter Elenas breitem Kreuz vernehmen.
»Was erzählt?«, frage ich begriffsstutzig und hoffe nicht, dass er einen detailgetreuen Bericht unseres gestrigen Abends zum Besten gegeben hat. Wobei es dann nicht viel Anlass zu herzhaften Umarmungen gegeben hätte.
»Die Bohne«, sagt er, und ich verstehe.
Ich grinse Elena an, deren Hand einen Zentimeter vor meinem Bauch schwebt. »Darf ich?«
»Na sicher!«, antworte ich. Wer fragt, darf auch meistens. Nur wer nicht fragt und mir einfach plump an den Bohnenbauch grabscht, bekommt was auf die Finger. Man wird ja als Schwangere gerne als Allgemeingut mit öffentlichem Anfassrecht behandelt, da muss frau sich wehren.
Ehrfürchtig schließt Elena die Augen, und ich vermute mal, dass sie eine transzendentale oder irgendwie anders geartete esoterische Verbindung zur Bohne aufzubauen versucht. Ich will sie nicht daran hindern und halte ganz still, schließlich möchte ich der Bohne auch mal einen anderen Kommunikationspartner als nur mich gönnen. Eine ganze Weile stehen wir so da, bis sie sich schließlich zu Simon umdreht. »Du musst auch mal! Darf er?«
Ich nicke, und Simon reibt sich mit beiden Händen über das Gesicht. Eine so typische Geste für ihn. »Elena. Frau. Du kannst sie nicht für mich fragen. Es ist ihr Bauch. Was soll sie denn jetzt auch anderes sagen?« Er zieht eine Augenbraue hoch und sieht Elena streng an.
»Sei nicht so kompliziert!«, gibt sie zurück, und ich glaube, einen leicht gereizten Unterton mitschwingen zu hören. Bevor es hier wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen unter Einsatz harter Steingutobjekte kommt, hebe ich beschwichtigend die Hände.
»Atmen. Ganz ruhig! Alle beide!«, ordne ich streng an und deute dann mit einem Zeigefinger auf Simon. »Du! Herkommen und anfassen!«
Ein Grinsen zuckt in Simons Mundwinkel, aber er drückt sich mit beiden Händen an der Tischplatte hoch und kommt langsam auf mich zu. Elena, die Herrin der fliegenden Steinguttassen, dreht sich flink um und stürzt zur Kaffeemaschine. Dabei trällert sie plötzlich ein fröhliches Lied und klappert laut mit der Kaffeedose. Den Raum einfach zu verlassen scheint ihr wohl zu eindeutig zu sein, deshalb bemüht sie sich anderweitig um eine
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