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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Steffan
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stehe auf und stelle meine Tasse in die Spüle.
    Da der starke Kaffee auch wieder einen Teil meines Gedächtnisses aktiviert zu haben scheint, fällt mir gleich die nächste Gelegenheit für eine heldenhafte Tätigkeit ein: Die Treppe, die tonnenschweren Kartons mit den Flyern und ein starker Mann befinden sich zeitgleich am selben Ort.
    »Wo wir schon beim Thema sind: Kannst du mir helfen, ein paar Kartons nach oben zu tragen?«
    Simon nickt knapp und stützt sich mit beiden Händen an der Tischplatte ab, um auf die Beine zu kommen. Das tut er immer. Was mich etwas verwundert, weil es eigentlich nicht zu seinen sonst so selbstsicheren Bewegungen passt. Aber jeder Mensch hat seine Eigenheiten.
    Er folgt mir wortlos und klemmt sich die Kartons unter den rechten Arm. Ich habe die Dinger noch nicht mal zwei Zentimeter der Schwerkraft entreißen können. Froh gestimmt laufe ich vor ihm die Treppe hoch.
    Simon ist wesentlich langsamer als ich und benutzt den Treppenlauf, um sich die Stufen emporzuziehen. Er humpelt, und ich bleibe irritiert am oberen Treppenabsatz stehen.
    »Alles okay? Hast du dir wehgetan?«, frage ich besorgt. Er setzt seinen Weg fort und schüttelt den Kopf. Sein Kiefermuskel ist angespannt, und ich trete einen Schritt zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Sobald er die Treppe verlassen hat, bewegt er sich wieder ganz normal. Ich tätschle ihm die Schulter und dirigiere ihn samt Kartons neben das Bücherregal. Dort setzt er sie ab und dreht sich um, um mein Büro wieder zu verlassen.
    »Danke!«, sage ich, und er schenkt mir ein verkniffenes Lächeln. Ich wüsste gerne, was mit ihm ist. Meine Neugier brodelt in mir, aber ich halte mich zurück. Simon befindet sich nämlich jetzt ganz offenbar im nonverbalen Modus, deswegen sage ich zu seinem Rücken: »Frag Elena mal nach Arnika, das hilft bei fast allem.«
    Immerhin bin ich in den vergangenen Wochen nahezu täglich mit homöopathischen Kügelchen versorgt worden. Die scheint es gegen jegliche Probleme des Lebens zu geben, und bei mir wirken sie – wenn ich auch keinen blassen Schimmer habe, wie genau das funktionieren kann. Ist ja so rein wissenschaftlich betrachtet nix drin in den kleinen Zuckerkügelchen, aber da sie meinen Beobachtungen zufolge zum Leben einer Mutter dazugehören wie durchweichte und bazillenverseuchte Taschentücher in Hosentaschen, lutsche ich alles, was Elena mir in die Hand drückt.
    Simon schüttelt nur den Kopf, und seine Anspannung kitzelt mir förmlich in der Nase. Er hebt einmal kurz die Hand und ist im nächsten Moment verschwunden. Der große blonde Mann verwirrt mich.
    Dennoch setze ich mich ruhig und besonnen hin und formuliere meine Wohnungskündigung. Wenn ich sie jetzt abschicke, kann ich fristgerecht und rechtzeitig aus meiner kinderuntauglichen Wohnung ausziehen. Ich habe meine zukünftige Bleibe zwar noch nicht in Augenschein nehmen können, aber da ich die anderen Wohnungen auf dem Hof kenne, weiß ich, dass ich höchstens positiv überrascht sein werde. Während ich tippe, finde ich mich selbst sehr mutig und verwegen. Eigentlich bin ich ein Mensch, der ziemlich lange braucht, um eine Entscheidung zu treffen. Unendlich lange, üblicherweise. Ich leide nämlich seit frühster Kindheit unter einer Falsche-Entscheidungs-Phobie. Nicht umsonst habe ich zweihundertachtzig Tage benötigt, um mich von Olaf zu trennen. Zweihundertachtzig Tage, die ich durchaus sinnvoller hätte gestalten können.
    Meine seltsame neue Entschlussfreudigkeit muss irgendetwas mit dem in meinen Adern kreisenden Schwangerschaftshormon zu tun haben. Die Entscheidung für die Bohne ging für meine Verhältnisse ja auch recht zügig. Okay, da eine durchschnittliche Schwangerschaft zweihundertsechsundsiebzig Tage dauert, hätte das zu Verwicklungen der besonderen Art geführt, wenn ich hier auch zweihundertachtzig Tage gebraucht hätte.
    Die Bewerbung für den Ökohof liegt allerdings unangefochten auf Rang eins meiner bisherigen flotten Entscheidungen. Für sie habe ich ziemlich genau fünf Minuten gebraucht. Rekordverdächtig. Damit kommt meine Wohnungskündigung auf Rang eins a, denn als sie ausgedruckt vor mir liegt, setze ich nur noch ein schwungvolles »Paula Schmidt« darunter und tüte sie ein. Dabei fühle ich mich ungewöhnlich leicht ums Herz.
    Nicht nur, dass ich mich sonst schwer entscheiden kann, ich litt bisher auch unter heftigen Herzschmerzattacken und massiven Wehmutsanfällen, wenn ich alte Lebensumstände abschloss. Als ich zum

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