Nicht die Bohne!
entsprechende Akustik, die uns so etwas wie Privatsphäre verspricht.
Simon steht vor mir, den Kopf leicht gesenkt, weil er mich um mindestens fünfzehn Zentimeter überragt. Der große blonde Mann ist wahrhaftig groß. »Es tut mir leid wegen gestern. Das war blöd von mir.«
Elena pfeift jetzt den Radetzky-Marsch.
»Hm, ich hab mich ziemlich vor den Kopf gestoßen gefühlt«, antworte ich, und dies ist damit das zweite Mal in meinem Leben, dass ich einem Mann, der mich interessiert, völlig ehrlich gegenüber bin. Das erste Mal ging gewaltig in die Hose, ich hoffe auf Besserung und blicke ihm fest in die braunen Augen. Tief in meinem Innersten stöhnen die wirklich harten Mädels auf: »Sie tut es schon wieder!«
»Es … tut mir leid. Mein Leben ist zu kompliziert. Oder ich bin zu kompliziert. Je nach Betrachtungsweise.« Der Ansatz eines Lächelns huscht über sein Gesicht, und er deutet mit dem Kinn kurz in Elenas Richtung, die jetzt bei ihrem Weihnachtsliederrepertoire angekommen ist. Stille Nacht, in D-Dur gepfiffen, während die Kaffeemaschine heiser dazu gurgelt. Sehr hübsch.
Im selben Moment hebt Simon eine Hand und legt sie ganz sanft auf meinen Bauch. Er fährt vom oberen Ansatz zart bis knapp oberhalb des Bauchnabels und verharrt dann, die Augen geschlossen.
»Ich mag die Bohne. Und dich auch. Sehr«, sagt er leise, und im selben Moment huscht der pupsende Schmetterling wieder quer durch meinen Bauch, was Simon leider noch nicht spüren kann. Ich schweige und freue mich über folgende Dinge:
1. Die Bohnenbewegung war also nicht nur für mich ein Elementarereignis, sondern auch für ihn, da er es ja brühwarm Elena berichtet hat.
2. Die Bohne mag ihn, das war ja wohl ein eindeutiges Zeichen!
3. Ich mag ihn auch.
4. Ich spüre jetzt ein klitzekleines Verlangen nach seinen Händen auf meinen Brüsten.
5. Ich sehe mich bei längerem Verharren in dieser Position nicht mehr in der Lage, ihn nicht zu küssen.
Zum Glück fängt Elena im selben Moment an, leise »Wer, wie, was« aus der Sesamstraße zu singen, was mich wieder etwas zur Vernunft bringt. Energisch rufe ich meine ausufernden Hormone zur Ordnung, aber ein Blick in Simons Gesicht macht deutlich, dass auch er mehr im Sinn haben könnte, als mir nur freundschaftlich den Bauch zu tätscheln. Schade, dass er und sein Leben in stiller Eintracht so kompliziert sind.
Simon blinzelt einmal kurz – ausgiebige Studien meinerseits haben ergeben, dass er das immer tut, wenn er verwirrt ist – und fragt dann mit seiner ihm eigenen leicht heiseren Stimme: »Kaffee?«
Ich nicke, und Elena bricht endlich erschöpft ihr Konzert ab. Mit erleichterter Miene drückt sie uns jeweils einen Becher frischen Kaffee in die Hand und lehnt sich gegen den Küchentresen.
Simon geht zum Kühlschrank und bedient sich an der frischen Ziegenmilch, bevor er sich umdreht und sagt: »Ich hätte übrigens eine Wohnung für dich. Oder besser gesagt, wir.«
»Oh!«, gebe ich von mir und sinke auf den nächstbesten Küchenstuhl.
»Es gibt noch eine Wohnung neben den alten Stallungen, die nicht ausgebaut ist. Wir wollten die immer mal fertigstellen und dann vermieten. Drei Zimmer, das sind ungefähr achtzig Quadratmeter, mit eigener kleiner Terrasse nach hinten raus. Der Innenausbau fehlt noch, also Fußböden und Türen. Die sind zwar schon fertig, stehen aber noch rum. Das Bad ist auch fast fertig, fehlt noch eine Küche. Das müsste aber alles in ein paar Wochen erledigt sein.«
Simon hat sich mir gegenüber gesetzt und sieht mich abwartend an.
»Was soll das denn kosten?«, frage ich vorsichtig, und Elena mischt sich ein.
»Zweihundertfünfzig Euro kalt. Plus Heizung und Strom«, sagt sie schnell, und ich erkenne sofort: Das ist zu wenig für eine Drei-Zimmer-Wohnung mit der auf dem Hof üblichen Ausstattung. Die ganzen Wohnungen, genauso wie auch das Haupthaus, sind nämlich tipptopp zurechtgemacht, mit tollen Sanitäranlagen und alten, aufgearbeiteten Dielen. Von den handgearbeiteten Türen und Zargen gar nicht zu sprechen. Dazu die super Lage im Grünen und die trotzdem recht schnelle Anbindung an die Stadt. Dafür könnten sie locker das Doppelte verlangen. Mir ist nicht wohl bei der Sache, und ich sehe Elena zweifelnd an. Immerhin ist ja ein sehr wichtiger Aspekt meines Jobs die Tatsache, meine ökologisch wertvollen Freunde endlich zum Geldverdienen zu bringen. Mir für so wenig Geld eine Wohnung zu überlassen scheint da doch eher kontraproduktiv zu
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