Nicht die Bohne!
dann mache ich mir halt keine Sorgen. Das hat bisher noch kein Mann in meinem Leben geschafft. Bei ihm ist alles anders. Er hat eine so ernsthafte und wahrhaftige Art, die herrlich beruhigend auf mich wirkt.
Womit wir dann auch schon am eigentlichen Punkt sind: Ich bin total verknallt.
Jeden Morgen habe ich jetzt zur Bohne auch noch Schmetterlinge im Bauch, wenn er vor meiner Tür steht. Ich bin völlig verschossen in ihn, und es fällt mir immer schwerer, das zu verbergen.
Da ich ein kluges Mädchen bin, weiß ich, dass es für schwangere Frauen eigentlich nicht üblich ist, sich zu verlieben. Schwangere Frauen in der 26. Woche sollten brav zu ihrem Yogakurs gehen, sich mit ätherischen Ölen den verspannten Nacken von dem sie liebenden Kindsvater massieren lassen und mit strategischer Sorgfalt beginnen, Babystrampler zu waschen und das Kinderzimmer mit ökologisch wertvoller Farbe zu streichen.
Aber alle Yogakurse für Schwangere waren ausgebucht, und ich besitze weder einen mich liebenden Kindsvater noch ein Kinderzimmer, das ich farblich an das Geschlecht meines Kindes anpassen könnte.
Besagtes Geschlecht kenne ich übrigens auch nicht. Die Bohne zeigt sich nämlich bei sämtlichen Ultraschalluntersuchungen höchst unkooperativ und kneift die Beine zusammen, als wollten wir ihr etwas klauen. Vielleicht ist sie in Wirklichkeit ein Bohnerich?
Dr. Ganter reagierte völlig entsetzt auf meine Bitte, doch wenigstens mal eine grobe Schätzung abzugeben. So ein klein wenig wird er doch erkennen auf diesen für mich undeutbaren Bildern, habe ich ihm unterstellt. Aber er weigerte sich standhaft und sagte nur: »Wenn ich es nicht hundertprozentig genau feststellen kann, sage ich nichts, Frau Schmidt. Nachher verklagen Sie mich!«
Und dann verliebe ich mich auch noch. Hach, ist mein Leben kompliziert. Und eine Verstopfung habe ich auch. Nun bin ich also tatsächlich bei diesem Kapitel meines Schwangerschaftsbuches angekommen. Wenigstens für dieses Problem gibt es eine Lösung: getrocknete Pflaumen, Leinsamen und Globuli aus Elenas schier unerschöpflichem Vorrat.
»Du hast was mit deinen Haaren gemacht«, reißt Simon mich aus meinen intensiven Lebensbetrachtungen, als wir auf den Waldweg einbiegen. Ich habe nichts mit meinen Haaren gemacht, weil sie sich, wie die Bohne, zurzeit unkooperativ zeigen.
»Sie stehen wild in alle Richtungen«, antworte ich also wahrheitsgemäß.
»Wild in alle Richtungen steht dir gut«, sagt Simon und drosselt das Tempo, weil die sibirische Buckelpiste, die momentan die Zufahrt zum Hof darstellt, schlecht für die Bohne sein könnte. Geschickt lotst er den schweren Geländewagen über die vereiste Straße, während ich die Augen schließe und die Hände auf meinen Bauch lege. Seit ein paar Tagen ist der Schmetterlings-Pups verschwunden. An seine Stelle ist ein energisches Stupsen getreten. Die Bohne ist offenbar hellwach und hat vermutlich einen leichten Koffeinschock. Das arme Kind. Sie hüpft zwischen meinem Rippenbogen und dem Bauchnabel hoch und runter, und ich drücke etwas fester auf den Bauch.
Simon stoppt den Wagen so abrupt, dass ich die Augen wieder öffne. Er hat sich zu mir hinübergebeugt, seine warme Hand legt sich auf meine Hände, und er blickt mir besorgt in die Augen.
»Alles okay«, sage ich schnell. »Die Bohne macht Frühsport.«
Ich dirigiere sanft seine Hand an die richtige Stelle und warte. Ein kleines Lachen erscheint auf Simons sonst so ernstem Gesicht. Mit dem Lachen tauchen auch die Grübchen in seinen Wangen wieder auf, und ich lege entspannt den Kopf an die Stütze.
»Ich bilde mir ein, etwas zu fühlen«, murmelt er.
Die Bohne scheint ein Trampolin in meinem Bauch zu haben, und sie ist aufgeregt, genau wie ich. Aber es ist keine zappelige Aufregung, sondern eher eine wohlig warme Spannung, die jetzt durch meinen Körper zieht. Simon ist mir so nah, er duftet zart nach Joop und Holz, und ich kann nicht widerstehen, eine Hand vom Bauch zu lösen und ihm an die Wange zu legen.
Ich sollte alles so lassen, wie es ist, und es genießen, dass Simon wenigstens eine kleine Rolle in meinem Leben spielt. Der vernunftbetonte Teil meines Gehirns versucht die Lage unter Kontrolle zu bekommen und befiehlt mir energisch, sofort das schöne Männergesicht wieder loszulassen. Aber ich kann nicht. Ich bin wie magisch angezogen, und wieder gibt es eine Premiere in meinem Leben. Während der verwegene Teil in mir johlend auf und ab hüpft, die Vernunft laut und
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