Nicht die Bohne!
springt ihm und seinen Hennen zu Hilfe, damit kein Federvieh unter die Räder der jetzt auf dem Hof eintreffenden Feuerwehr kommt.
Ein einzelner Einsatzwagen, der allerdings Krach für fünf macht, rumpelt über die vereisten Stellen, ihm folgen zwei signalrot lackierte Pkw mit Blaulicht. Kurz darauf wimmelt es auf dem Hof von Menschen, wobei mich schnell das Gefühl beschleicht, dass außer Simon keiner so recht weiß, was zu tun ist. Er ordnet als Erstes an, den weiten Umkreis des Stalles zu räumen, worauf sich alle direkt vor das Haupthaus verziehen. Dann macht er sich, die Pläne des Umbaus fest unter den Arm geklemmt, auf den Weg in Richtung Einsatzwagen.
Wenn ich bisher dachte, dies sei nicht mein Wetter – Simons ist es definitiv auch nicht. Er bewegt sich auf dem gefrorenen Untergrund wie auf Eiern, hangelt sich an Hauswänden und parkenden Fahrzeugen entlang und ist sichtlich erleichtert, als er den großen Plan endlich auf der Motorhaube eines der Feuerwehrautos ausbreiten kann.
Ich gehe derweil zu Elena, der die Tränen über das Gesicht laufen, und nehme sie in den Arm.
»Alle Tiere sind in Sicherheit, niemandem ist etwas passiert«, beruhige ich sie, dann lausche ich den Ausführungen von Simon und einem kompetent wirkenden Feuerwehrmann. Offensichtlich stellt die Dachform des Stalles ein großes Problem dar. Es ist nicht steil genug. Die Schneelast kann nicht abrutschen, und da es über das ganze Dach verteilt kleinere Gauben gibt – wohl ursprünglich als Ein- und Ausstieg für die Tauben des ehemaligen Hofbesitzers gedacht –, hat sich in den Schneestürmen der vergangenen Tage genau dort extrem viel Schnee gesammelt, der jetzt die gesamte Dachkonstruktion zum Einsturz bringen könnte.
Ungefähr eine Stunde stehen wir herum und harren der Dinge, dann schnappe ich mir Elena und Alina, und wir gehen in die warme Küche, in der jetzt gefühlt zweihundert Hühner leben. Aus Ermangelung eines geeigneten Areals hat Harry sie kurzfristig hier untergebracht, was das geplante Kaffeekochen sehr abenteuerlich gestaltet. Hühner können ziemlich lästige Gesellinnen sein, zumal diese hier offenbar unter einer posttraumatischen Störung leiden und mich als ihre heilbringende persönliche Therapeutin betrachten. Fünfzehn Hühner – ich habe mir die Mühe gemacht, sie zu zählen – folgen mir auf Schritt und Tritt und geben dabei ohne Unterlass sämtliche Laute von sich, zu denen sie in der Lage sind.
Trotz der Hühnerbelagerung schaffe ich es, fünf Liter Kaffee zu kochen und Tassen, Zucker und Milch in die Diele zu schleppen. Elena und Alina sind derweil ins obere Stockwerk gelaufen und suchen nach den Versicherungsunterlagen. Simon hatte knapp beschieden, dass es sich hier um einen Elementarschaden handelt, und der sei in der Gebäudeversicherung enthalten. Die beiden wollen das ganz offensichtlich schwarz auf weiß nachlesen. Als ich die Ziegen, die nicht mit auf die Wiese konnten und somit vorübergehend auf einem eilig herbeigeschafften Strohlager in der Diele Quartier bezogen haben, mithilfe einiger Stühle in eine Ecke gedrängt habe, stecke ich den Kopf aus der Tür und rufe: »Kaffee?«
Zehn Augenpaare blicken mir hoffnungsvoll entgegen, und so schenke ich Kaffee aus und beobachte dann, wie ein mutiger Feuerwehrmann sich die Leiter schnappt, um die Schneelast auf den anderen Gebäuden zu kontrollieren. Als er seine lebensgefährliche Mission beendet hat, bekommt auch er einen Kaffee – allerdings erst, nachdem er Entwarnung gegeben hat.
Die Feuerwehrleute erklären den Stall einschließlich Edgars Wohnung für einsturzgefährdet (diese Erkenntnis hatten wir ja nun schon eine Stunde vorher) und sperren das Gebäude mit rot-weißem Flatterband großzügig ab. Sie verbieten uns ausdrücklich, auch nur einen Fuß hineinzusetzen, und rücken dann geschlossen ab, weil sie sofort eine Straße in der Umgebung sperren müssen. Die Bäume an dieser Straße drohen durch die Eislast einzuknicken und könnten harmlose Autofahrer erschlagen. Sobald die Lage sich etwas beruhigt habe, wollen sie wiederkommen und einen mehrstufigen Plan entwickeln, wie mit der »Bruchbude« weiter zu verfahren sei.
Kaum ist die Feuerwehr weg, düst ein Transporter mit Schneeketten auf den Hof. Ihm entsteigen vier Männer in Arbeitsklamotten, die sich sofort geschäftig auf Simon stürzen. Da sie kein Problem mit Hühnern sowie deren Geräuschen oder Ausscheidungen haben, ziehen sie sich in die Küche
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