Nicht die Bohne!
hinter der bemüht kalten Fassade erkenne ich so etwas wie Verzweiflung.
»Was jetzt?«, frage ich reserviert. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Was hat dieser Kerl bloß? Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, aber ich kann einfach keine Rücksicht mehr nehmen. Ich werde in vier Monaten Mutter, verdammt noch mal. Ich kann mich hier doch nicht hinhalten lassen.
Die Bohne ist wach und rammt mir irgendein Körperteil in die Rippen. Beschwichtigend lege ich eine Hand auf meinen Bauch und setze mich kurzfristig wieder auf den Bettrand.
Ungelenk hockt Simon sich vor mich. Seine Hände liegen auf meinen Knien, und sein Blick ist gesenkt. Ich sehe, dass seine Kiefermuskeln zucken, als würde es in ihm arbeiten. Doch anstatt endlich den Mund aufzumachen, steht er schließlich einfach auf, küsst mich flüchtig auf die Stirn und humpelt ins Badezimmer. Das alles, ohne mich auch nur einmal anzusehen. Die Tür schließt sich hinter ihm, und ich höre den Schlüssel im Schloss.
Ich bin empört. Traurig. Verzweifelt. Wütend und noch so allerlei mehr. Kurzerhand zische ich ein leises »Arschloch! Dann verpiss dich doch!« in Richtung der Badezimmertür und verlasse die Wohnung.
Kapitel 24
Nach diesem desaströsen Morgen bekomme ich Simon den restlichen Tag überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Am nächsten Tag taucht er zwar zum Mittagessen auf, vermeidet aber, genau wie ich, jeglichen Blickkontakt und ist schweigsamer als je zuvor. Draußen fängt es endlich an zu tauen, aber zwischen uns herrscht Eiszeit.
Die anderen wundern sich sichtlich über den Stimmungsumschwung zwischen Simon und mir, besitzen jedoch genug Feingefühl, mich nicht darauf anzusprechen. Lediglich Elena wirft mir einen fragenden Blick zu. Da ihr nur wenig entgeht, ist ihr mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit auch aufgefallen, dass ich die Nacht auf dem Hof nicht in dem von ihr so liebevoll hergerichteten Gästezimmer verbracht habe. Ich zucke nur mit den Schultern. Wenn mir nach irgendeiner Sache gerade nicht der Sinn steht, dann ist es, über Simon den Stockfisch zu sprechen und darüber, wie er mich vor den Kopf gestoßen hat. Die Demütigung sitzt noch zu tief.
Um mich abzulenken, verbringe ich das Wochenende mit meinen Freunden in wechselnder Besetzung. Zuerst holen Mara und ich die Baby-Kartons aus der Garage meiner Schwester und »sichten das Material«, wie Mara es so nüchtern ausdrückt. Als sie dann allerdings einen Babybody in Zwergengröße 50 in den Händen hält, haucht sie ein zartes »Süß!« und wird im Verlauf der ganzen Aktion immer rührseliger. Außerdem besteht sie darauf, dass ich ab sofort mit einer Spieluhr auf dem Bauch herumlaufe. Das Ding dudelt unablässig »Lalelu«, und die Bohne verfällt jedes Mal in eine Art Schockstarre. Aber da Mara so beglückt ist, lasse ich sie gewähren. Vielleicht ist ja auch die Bohne von dem Gedudel beglückt und schwebt selig lächelnd mit dem Daumen im Mund durch meinen Uterus.
Dafür scheint sie die Farbe Rosa grundsätzlich abzulehnen. Jeder Kontakt mit einem rosafarbenen Plüschteil – meine Nichte hat ihre ersten Lebensjahre als pinkfarbenes Knallbonbon verbracht – führt zu einem kurzen, aber scharfen Tritt in die linke Rippe. Ist die Bohne vielleicht doch ein »er«? Aus irgendeinem Grund habe ich das eindringliche, wenn auch nach wie vor nicht durch ein aussagekräftiges Ultraschallbild belegte Gefühl, dass die Bohne ein Mädchen ist. Unterbewusst scheint sich meine persönliche Ablehnung jeglichem Mädchengedöns gegenüber auf die Bohne übertragen zu haben. Frühkindliche pränatale Prägung nennt sich das im Fachjargon. Ich bin erfreut und verbringe viel Zeit mit dem Anstarren und Herumtragen von rosafarbenen Stramplern mit Prinzessinnen vorne drauf. Die Spieluhr düdelt, die Bohne pennt, ich greife nach etwas Pinkem, die Bohne springt.
Am Samstagabend gehe ich mit Jutta essen. Sonntags kommt Justine zum Frühstück, und den restlichen Tag verbringe ich mit Tom, der immer noch unter seinem durch Carola zerdepperten Herzen leidet. Er hat sogar kummerbedingt drei Kilo abgenommen, was wir umgehend rückgängig machen wollen. Zu diesem Zweck statte ich meiner Lieblingstankstelle einen Besuch ab, um uns mit ausreichend Zucker und Fett einzudecken.
Herr Krüger ist wie immer entzückt über meinen Besuch. Als ich an der Kasse stehe, fragt er mich ganz verschämt, wann es denn so weit sei. Diesmal trage ich nämlich keinen dicken Wintermantel. Auch wenn die grauen
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