Nicht die Bohne!
seltsamen Instanzen in mir einstimmig abgeschmettert. Im nächsten Moment bin ich auf den Beinen und verlasse die Küche. Ich suche mir einen eisfreien Weg unter dem Schauer entlang bis zur Tischlerei und klopfe höflich einmal kurz an, bevor ich die Tür öffne. Der große Raum ist leer, dafür sehe ich am Ende der Treppe, die in das ausgebaute Obergeschoss führt, Licht unter der Tür hervorblitzen.
Ganz kurz zögere ich. Obwohl Simon und ich so viel Zeit miteinander verbringen, war ich noch nie in seiner Wohnung. Und genau das wird sich jetzt ändern, entscheide ich kurzerhand und erklimme die steile Holztreppe, sorgfältig darauf bedacht, mich so lautstark wie eine Horde Büffel auf der Flucht zu bewegen. Ich möchte mich ja ankündigen. Da ich samt Bohne mittlerweile sieben Kilo mehr wiege, ist das kein allzu schwieriges Unterfangen.
Es sind verdammt viele Stufen, die die Bohne, die Büffel und ich bis ganz oben erklimmen müssen, und ich bin jetzt doch ein klitzekleines bisschen aufgeregt. Was sich offensichtlich mit dem bereits in meinem Organismus befindlichen Adrenalin nicht so gut verträgt. Plötzlich verspüre ich nämlich auch noch ein intensives Klärungsbedürfnis. Während ich die Treppe hinaufsteige, wird mir bewusst, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt.
Immerhin kommt die Bohne am ersten Juli zur Welt – vorausgesetzt, sie hält sich an den errechneten Termin, was ich nicht glaube. Sie scheint ja doch etwas eigen zu sein. Danach werde ich für eine ganze Weile weder Zeit noch Muße haben, mich mit intrapersonellen Problemen von großen blonden Männern zu befassen. Was wiederum bedeutet: Bis zum Tag X müssen einige grundlegende Dinge geklärt sein.
Und während ich so vor mich hinsinnierend die Treppe hochstapfe, meldet sich schon wieder eine meiner unbekannten, aber lautstarken inneren Instanzen zu Wort. Fröhlich trötet sie mir ins Hirn: Vielleicht will ich aber auch einfach nur mal wieder guten Sex haben! Haha!
»Haha«, murmele ich und erreiche endlich den Treppenabsatz. Energisch klopfe ich an die massive Holztür.
»Was?«, ertönt es nach einigen Sekunden von drinnen.
Hmmm – »Was?« bedeutet nicht »Herein, bitte!«, so viel steht mal fest. Vielmehr bedeutet es wohl eher etwas in Richtung: »Welt, lass mich in Ruhe!«
»Ich bin’s, Paula«, antworte ich deshalb etwas zögerlich. Vielleicht war das dringende Bedürfnis, mich hierher auf den Weg zu machen, wirklich ein blödes Bedürfnis. Mein Verstand hatte da ja schon so etwas angedeutet. Zweifelnd sortiere ich meine Locken neu und begutachte im Dämmerlicht den Zustand meiner Fingernägel.
»Warte kurz«, sagt Simon hinter der Tür.
»Jo!« Ich harre der Dinge, die da kommen mögen, und betrachte derweil meine Fußspitzen. Gibt nicht viel zu sehen. Wenn man davon absieht, dass ich mich mittlerweile schon leicht nach vorn beugen muss, um einen Blick auf meine Schneeboots zu erhaschen. Es rumpelt hinter der Tür. Dann wieder Stille. Dann wieder Rumpeln. Schließlich höre ich einen Schlüssel von innen, dann schwingt die Tür auf, und Simon sieht mich fragend an.
»Ich wollte nichts«, sage ich wahrheitsgemäß. »Nur mal gucken, was der Kopf macht.«
»Dem geht’s gut.« Simons Gesicht ist ein Buch mit 292 Siegeln. Dafür ist sein Verhalten ziemlich offensichtlich: Er möchte jetzt keinen Besuch.
»Okay, dann gute Nacht«, sage ich fröhlicher, als mir zumute ist, und drehe mich schwungvoll um.
Der Absatz ist zu schmal für meine energische Drehung, und einen entsetzlich langen Moment spüre ich die Schwerkraft nach mir greifen. Mein rechter Schuh rutscht vom Treppenabsatz ab, und ich greife panisch nach dem Treppenlauf. Der ist aber nicht da, wo meine Hände ihn vermuten. Ich greife ins Leere und spüre, wie ich falle.
Im selben Moment packt Simon mich von hinten an den Oberarmen. Sein Griff ist schmerzhaft, aber er hindert mich daran, die gesamte Treppe hinabzustürzen. Für ein paar Sekunden bleiben wir genau so, Simon hält mich fest, und ich atme. Dann zieht er mich noch ein Stück zurück, bis ich gegen seine Brust gelehnt dastehe.
Noch mehr Adrenalin jagt durch meinen Körper, und die Bohne tritt mir einmal beherzt gegen die Rippen. Instinktiv fliegt meine rechte Hand auf den Bauch, mit der anderen taste ich hinter mir nach Simon und kralle mich in seinem Hemd fest. Ich kann weder denken noch sprechen. Ich bin wie erstarrt. Nachträgliche Panik durchflutet meinen Körper, und ich spüre, wie meine Beine langsam
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