Nicht ganz schlechte Menschen
folgenlosen Gespräch, und
später, als um Mitternacht ausgelassen getanzt wurde, suchte sich der Schriftsteller
einen anderen Bettgenossen aus, einen derben Jüngling mit Schmerbauch und frech
wilderndem Scherzmaul. Den er folgerichtig gegen zwei Uhr morgens in sein Hotel
einlud/lockte, mit der Aussicht auf kostenlose Morphine. Die Blase der
Übergangenen zeterte und schnatterte, noch lange wurde im Cosy darüber
diskutiert. Während Max längst abseits, vor seinem fünften Glas Wein saß und
die Begegnung, die wenigen Sätze, die er mit Klaus Mann gewechselt hatte,
rekapitulierte und mit einer Bedeutung auflud, die übertrieben, dem Anlaß
sicher nicht angemessen war. Schüchtern hatte der Autor des Mephisto ihm gegenüber
gewirkt, bemitleidenswert unsicher, bescheiden, von daher grundsympathisch. Wo
Max schon als eigenbrötlerisch galt, schwer zu durchschauen, wäre Klaus Mann
von unvoreingenommenen Beobachtern als tapsig taumelnder Schatten seiner selbst
treffend beschrieben worden. Der Sohn von Thomas Mann zu sein, schien einem
Fluch gleichzukommen. Klaus, das verstand Max instinktiv, wollte ekstatisch
ausleben, was sein verklemmter Vater mit seiner preziösen Schreibe sublimierte – und war doch zutiefst neidisch auf jene Sublimation, die sexuelle Entsagung
in literarische Produktivität verwandeln half. Klaus Mann, eine im Grunde arme
Sau, lebte das Leben eines Pseudo-Revoluzzers, eines Vater-Stellvertreters, der
mit seiner dürftigen Ernte nie glücklich werden würde, werden konnte. Aber
wiewohl dieses Urteil im Bereich des Möglichen oder Diskutierbaren lag, wurde
es für alle Zeit entwertet durch den simplen Fakt, daß Klaus Mann Max Loewe
hatte abblitzen lassen. Für einen Schmerbauch mit Scherzmaul.
Ellie erzählte er in höchst beiläufiger Manier von der
Begegnung, wie man etwas erwähnt, das man auf der letzten Seite der Zeitung
gelesen hat. Ellie überraschte ihn mit der Aussage, sie habe als Zwanzigjährige
die Buddenbrooks verschlungen, es sei sogar ihr Lieblingsbuch. Und als die Rede
auf Thomas Manns erotische Neigungen kam, reagierte sie ungläubig. Der Mensch
sei doch verheiratet und habe Kinder. Max meinte, daß jede Zeile von Thomas
Mann wie mit abgespreiztem kleinem Finger geschrieben wirke, schwules
Geschwülst, wer nur die mindeste Ahnung von Literatur habe, könne daran nicht
vorbeisehen.
Dann habe ich also – im Gegensatz zu dir – nicht die mindeste Ahnung
von Literatur, nein? Willst du das damit sagen?
Genau das wollte Max sagen, selbstverständlich. Und wollte dabei
auch keinen Streit provozieren. Er schwieg, wie so oft. Und stieß Ellie damit
erst recht vor den Kopf. Die Angelegenheit war im Grunde lächerlich. Statt sich
darüber zu freuen, daß seine Lebensgefährtin nicht so komplett unbelesen war,
wie er angenommen hatte, nahm Max ihr übel, wie frech, beinahe anmaßend, sie
sein literarisches Urteilsvermögen in Frage stellte.
Tief in seinem Inneren ärgerte ihn auch der Umstand daß die
zweieinhalb Seiten seines Romans, so großartig sie vielleicht auch sein
mochten, für einen Nobelpreis noch nicht ernsthaft in Frage kamen. Selbst wenn
Klaus Mann bereit gewesen wäre, sie zu lesen und ihm eine Empfehlung zu
schreiben.
Ach Kollege, hatte Klaus gesagt (man duzte sich früh in der
Cosy-Bar, unter Deutschen zumal), Kollege, sieh es mir nach. Wir wollen an
einem so schönen Abend doch nicht über unsere Arbeit plaudern …
Dieses Arschloch.
Ellie fragte sich wieder einmal, warum Max noch mit ihr
zusammenbleiben wollte, wenn er sie offenbar verachtete. Und warum sie ihn
liebte, während Pierre täglich darum bemüht war, ihren Alltag mit roten
Teppichen auszukleiden. Gerecht war das nicht.
Karl vernachlässigte für einen Tag seine Vorlesungen, um sich
mit Mila am Strand zu amüsieren. Er konnte nicht fassen, was in der Nacht
geschehen war. Hätte es für seine Entscheidung, nicht an die Front zu gehen,
irgendeines Arguments, einer Rechtfertigung bedurft, war Mila das
Überzeugendste, was sich fürs Hinterland ins Feld führen ließ. Karl war nie ein
Romantiker gewesen, aber die Liebe als Entschuldigung für einfach alles zu
gebrauchen, erschien sogar ihm in diesem Fall vernünftig. Seine Schuldgefühle
verflüchtigten sich, er bettete seinen Kopf auf Milas Bauch und sah in den
Himmel hinauf. Sie nannten einander ihre wahren Namen. Mila hieß Ludovica
Guardagno, stammte aus Bari und war neunzehn Jahre alt. Karl beschloß, sie
weiter Mila nennen, umgekehrt bat er sie
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