Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Krausser
Vom Netzwerk:
her. Bis Karl der Kragen
platzte.
    Was hast du dir dabei gedacht?
    Wobei genau?
    Mir hinterherzustreichen, mich zu beobachten. Hast du gelauscht?
    Gab es denn was, das ich nicht hören sollte?
    Verdammt, so etwas tut man nicht, und wenn, dann läßt man sich nicht
dabei erwischen. Wie stehe ich denn da vor meinen Freunden? Warst du vielleicht
eifersüchtig?
    Die Frau ist hübsch.
    Und ihr Mann saß die ganze Zeit neben ihr.
    Aber du hast sie angesehen. Und er ist in der POUM .
    Du hast also gelauscht?
    Es war schlicht nicht zu überhören. Was hast du mit jemandem aus der POUM zu schaffen? Das sind Verräter!
    Wer sagt das?
    Das sagt die Partei. Weißt du es besser?
    Eric ist ein einfacher Soldat, ein Engländer, der bei Huesca seinen
Kopf hinhält. Ich dulde nicht, daß du ihn als Verräter bezeichnest.
    Sag mal, Franz – Mila blieb stehen und schlug Karl heftig gegen die
Brust. Bist du ein Idiot?
    Ob ich was bin? Du nennst mich einen Idioten? Soweit kommts noch!
    Die POUM , das pfeifen die Spatzen von
den Dächern, wird bald liquidiert. Und selbst wenn dieser Eric ein guter Kerl
sein sollte – du bringst uns beide in Gefahr, wenn du mit einem solchen Subjekt
Freundschaft pflegst.
    Die POUM verteidigt mit zehntausend Mann
die Aragonfront. Was erzählst du da, Mädchen? Soll man die alle liquidieren?
Weil du eifersüchtig warst, ohne jeden Grund, erfindest du nun einen kruden
Vorwand –
    Mila legte ihm zwei Finger auf den Mund. Karl war laut geworden, und
Passanten sahen sich nach den beiden um. Schnell, und ohne ein weiteres Wort zu
wechseln, gingen sie in ihre Wohnung, um sich auszusprechen, zu versöhnen und
miteinander zu schlafen. Doch als
sie sich eben gegenseitig ihrer Liebe versichert hatten und bereit waren,
einander zu verzeihen, wurde heftig an die Tür gepocht.
    Pierre
Geising überlegte, weil er seinen Fehler nicht wiederholen wollte, in welchem
Rahmen er Ellie den nächsten Heiratsantrag machen würde. Er hielt sie für eine
ganz und gar romantische Person, der Rituale viel bedeuteten.
    Max indes dachte darüber nach, ob der letzte Trumpf, den er im Ärmel
behielt, überhaupt noch stichhaltig war. Würde die Sache zwischen Pierre und
Ellie jemals aus dem Ruder laufen, konnte er dem Konkurrenten Ellies
Vergangenheit enthüllen. Aber gab es diese Vergangenheit noch? War sie denn
mehr als eine vage Behauptung? Interessant, dachte er, die Zeit ist eine Art
Radiergummi, der alles, was vorher als Fakt gegolten hätte, verschwimmen und
verschwinden läßt. Die Zeit erlaubt dem Menschen mehrere Identitäten.
Erstaunlich. Und wenn er dann gestorben ist, einigt sich die Nachwelt auf nur
eine davon. Diese Erkenntnis wirkte auf Max so ungeheuerlich wie tröstlich. Es
bedeutete, daß alle Lexika logen. Und daß jeder zu jedem Zeitpunkt ein neues
Leben beginnen konnte. Jenen sensationellen Sachverhalt in seinem Roman adäquat
zu verarbeiten, ohne daß dem der Ruch des Banalen anhaftete, daran scheiterte
Max wiederholt. Ellie riet ihm dazu, künftig nicht mehr nachts, sondern morgens
zu schreiben, relativ nüchtern.
    Worin hätte dann der Spaß bestanden? Nein, Max wies Ellies Vorschlag
als spießbürgerlich zurück.
    Karl zögerte, die Tür zu öffnen, er fragte laut, wer da
sei, bekam aber nur ein noch heftigeres Pochen zur Antwort. Er überlegte kurz.
Die Sturmgardisten, wenn sie es wären, hätten die Tür längst eingetreten.
Vielleicht war es jemand, der Hilfe brauchte. Er öffnete. Draußen stand Jean
Zanoussi. Mit einem Sack auf dem Rücken.
    Laß mich rein, mach Platz! Zanoussi flüsterte und schob
sich und den Sack über die Schwelle, ohne Antwort abzuwarten.
    Wenn du mich verrätst, mein Freund, werden andere kommen
und dein rotes Kleinhirn an die Wand spritzen! Zanoussi sagte das ganz
sachlich, wie einen Wetterbericht, er hievte den Sack in eine Ecke, ein
mächtiges und eisernes Geräusch war zu hören. Karl hatte noch keinen Ton von
sich gegeben. Mila kam, mit nichts als einem großen Badetuch um den Leib, aus
dem Schlafzimmer und gaffte den Eindringling an, ohne etwas zu sagen.
    Wer ist die da? Hab ich euch bei was gestört? Egal.
    Zanoussi wirkte nervös, bevor er sich eine Zigarette anzündete und
langsam zu entspannen schien.
    Was soll dieser Auftritt? Du jagst meiner Freundin Angst ein. Mir
übrigens auch.
    Paß auf, Karl!
    Zanoussi, leicht besänftigt durch den Anblick des schönen Mädchens,
ließ sich zu einer Erklärung herab.
    Mit ein wenig Glück kommen wir alle aus dieser Sache gesund

Weitere Kostenlose Bücher