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Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Krausser
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Hat
Xavier immer gesagt. Den ihr ausgebeutet habt. Der sich den Buckel
krummgearbeitet hat für euch deutsches Pack!
    Das nun war zuviel. Ellie wäre bereit gewesen, dieser Ziege einiges
nachzusehen, aber ihre Friedfertigkeit stieß mitunter auch an Grenzen.
    Den Buckel krummgearbeitet? Xavier? Die faule Sau? Du spinnst wohl,
Mädchen! Er hat doch uns ausgenutzt. Wenn er dich Schickse schlecht behandelt
hat, dann weiß ich jetzt, warum.
    Ellie hätte nicht zu so proletarisch-verletzendem Vokabular gegriffen,
hätte sie geahnt, daß Blanche, seit ihrer Fehlgeburt im vierten Monat
schwermütig geworden, ihr einfach nur auf jedwede zur Verfügung stehende Weise
weh tun wollte. Weil sie selbst ja immer nur ein unbefriedigender Ersatz für
das gewesen war, was Xavier eigentlich begehrte und nicht haben konnte. Oft,
viel zu oft, hatte er begeistert vom Feuer geredet, das jüdische Frauen
angeblich besäßen, und sich über Blanches Prüderie beschwert. Das ehemalige
Dienstmädchen, das bald wieder und, sofern kein Wunder geschah, endgültig, ein
Dienstmädchen sein würde, stand jener angebeteten Ikone gegenüber, die es mit
List und Geschick, womit auch immer, zur Gattin eines Hotelbesitzers gebracht
hatte, die fortan fein heraus war aus den Fährnissen eines niederen Alltags. Blanches
Haß war leicht nachzuvollziehen, während die ahnungslose Ellie schwerstes
Geschütz munitionierte, um die mißratene Kanaille, so dachte sie über Blanche,
ein für allemal zur Raison zu bringen.
    Kein Wunder, daß dein Mann zum Rauschgift greifen mußte, mit soner
Pestbeule an seiner Seite! Das entschuldigt wohl alles. An seiner Stelle hätte
ich dich Rassistin Tag und Nacht mit dem Riemen gezüchtigt und deine widerliche
Frau Mutter dazu!
    Auch als sie
sich schon auf der Straße befand, stieß Ellie deftige Verwünschungen aus,
nachdem Blanche sie gewaltsam aus der Tür gedrängt und diese ins Schloß
geworfen hatte. Männliche Passanten, die an einer weniger attraktiven Frau
achtlos vorbeigeeilt wären, blieben kurz stehen und erkundigten sich nach
Ellies Befinden. Würden sie dies auch noch in zehn Jahren tun? Nein, würden sie
nicht. Ellie war eine späte Schönheit, deren Verfall laut eigener Diagnose
unmittelbar bevorstand, während dieser dämlichen Blanche noch zwanzig Jahre
übrigblieben, um etwas aus sich zu machen, egal was. In dieser Situation
war Ellie sehr sehr froh, eine verheiratete Madame Geising zu sein.
    Während sie sich jenen Umstand ins Bewußtsein rief, kehrte prompt
ihre Liebe zu Max zurück, der ihr, unter Überwindung aller Eifersucht, diese
Sicherungsmaßnahme gewährt und sogar angeraten, ja eingeredet hatte. Sie spürte
große Lust, sofort zu ihm zu eilen und mit ihm zu schlafen. Was dann auch
geschah.
    Ihr eigentliches Ziel, den Aufenthaltsort von Zanoussi zu ermitteln
und mehr über dessen Verstrickung mit Pierre zu erfahren, verlor Ellie nur kurz
aus den Augen. Eine an sich logische, dabei doch nicht ganz naheliegende
Überlegung half ihr entscheidend weiter. Falls Pierre Zanoussi unterstützte,
dann sicher nicht zuletzt in Form von Naturalien, sprich Lebensmitteln. Sie
knöpfte sich Luc Bouchard, den Küchenjungen, vor. Der, weil ihm niemand
anderslautende Direktiven erteilt hatte, rückte gleich mit der Wahrheit heraus.
Hin und wieder, etwa zweimal pro Woche, liefere er dem Anarchisten Essenspakete
in die Rue Marcadet 32, wo Zanoussi ein winziges Mansardenzimmer bewohne, in
dem es streng nach Katzenpisse rieche.
    Ellie gab dem Jungen fünfzig Francs, um sich seines Stillschweigens
zu versichern. Ihr war bewußt, daß sie sich Pierre gegenüber illoyal verhielt
und in einer Sache stocherte, die sie nicht unbedingt etwas anging.
    Dennoch begab sie sich am nächsten Tag zur genannten Adresse und
fand Zanoussi dort auch vor. Er wirkte über ihren Besuch wenig überrascht und
bot ihr, aus Ermangelung sonstiger Genüsse, ein Glas kalten Pfefferminztee an.
Zwei kleine Katzen spielten auf dem Fensterbrett mit den letzten Stubenfliegen
des Jahres. Es stank tatsächlich, doch der Anblick der graugetigerten Kätzchen
nahm dem Geruch viel Ekelhaftes. Zanoussi bot ein Bild salopper Gelassenheit.
Die Wunden an seinem Kopf waren verkrustet. Er trug eine lange Unterhose, über
den Oberkörper hatte er sich eine Joppe geworfen und nicht zugeknöpft.
    Was kann ich für Sie tun?
    Ich wollte mich im Namen von Karl entschuldigen.
    Das können Sie nicht. Das kann er nur selbst.
    Dann im Namen des Monbijou . Sie waren unser

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