Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Krausser
Vom Netzwerk:
Unser Gespräch
ist beendet.
    Das bestimmen Sie einfach so?
    Ich sags, wie es ist. Nun gehen Sie bitte, bevor ich mich auf Sie
stürze.
    Ich würde mich zu wehren wissen, Sie eitler alter Geck!
    Cric-Crac! Genießen Sie Ihr Leben. Genießen Sie es, auf den
Boulevards Schritte zu tun. Und sehen Sie sich, um den Genuß noch zu steigern, die beinamputierten Bettler an, die ihre
Tapferkeitsmedaillen für ein Knoblauchbaguette eingetauscht haben. Genießen Sie
jede Sekunde, bevor Hitler Ihren geschändeten Kadaver in den Ofen
schieben wird.
    Ellie war froh über Zanoussis unverschämte Wortwahl, sie gewann
dadurch die Kraft, aufzustehen und die Wohnung zu verlassen, wenn auch mit dem
Bewußtsein, fast nichts, beinahe gar nichts, erreicht zu haben. Als sie,
behütet vom Rattern der Metro, Zanoussis kryptisches Gerede noch einmal Revue
passieren ließ, resümierte Ellie, daß es irgendein Geheimnis geben mußte, zwischen
ihm und Karl. Und Zanoussi behielt recht, das interessierte sie weit weniger
als die entscheidende Frage, die sie ihm zu stellen nicht imstande gewesen war.
Nämlich ob er und Pierre etwas mit Xaviers Verschwinden zu tun hatten. Sobald
sie diesen Gedanken klar für sich formulieren konnte, tauchte ein Heer von
Gegenfragen auf, die alle darum kreisten, weswegen genau sie das eigentlich
wissen wolle und was sie in diesem Fall zu tun beabsichtige.
    Eines schien klar: Es war besser, Pierre von ihrem Besuch bei
Zanoussi zu erzählen, denn er würde es höchstwahrscheinlich sowieso erfahren.
Und es war ja nichts dabei, sie hatte die eine Frage, die ihn empören würde,
gottseidank nicht gestellt, darüber war sie nachträglich sogar sehr froh.
    Ich bin bei Zanoussi gewesen und habe mich für Karl entschuldigt.
Der Kerl hat mir ganz schön Angst eingejagt.
    So, lapidar, beim gemeinsamen Zubettgehen, redete sie die Sache von
sich.
    Ich weiß, sagte Pierre. Und blieb ganz ruhig.
    Woher? Sag bloß …
    Mein Personal hält noch zu mir.
    Also hatte der Küchenjunge geplaudert. Ellie war wütend und
beschloß, sich gleich morgen früh die fünfzig Francs von Luc zurückzuholen.
    Außerdem machst du, sagte Pierre leise, ja doch alles, was du dir
einmal in den Kopf gesetzt hast. Ob ich dir davon abrate oder nicht.
    Ich fand, das mußte sein. Ich geh auch bestimmt nie wieder hin. Der
Bock hat mir Sachen gesagt, die über ein Kompliment weit hinausgehen.
    Nein, er nimmt kein Blatt vor den Mund.
    Und er redete wirres Zeug über Karl und ihn und Verantwortung, die
er, also Karl, nicht tragen wolle, oder so ähnlich, ich hab kein Wort
verstanden.
    Du mußtest da unbedingt deine Nase hineinstecken.
    Der Satz klang traurig, mehr nach einer Feststellung als nach einem
Vorwurf.
    Weißt du darüber etwas? Sie kuschelte sich an ihn.
    Er seufzte.
    Ich weiß, worum es geht. Karl hat es mir erzählt.
    Warum ausgerechnet dir?
    Wir sind Freunde.
    Ach so.
    Und weil das eine Sache unter Männern ist.
Ich hab dir das gesagt.
    Du verrätst mir also nichts darüber?
    So geheim ist das nicht. Du läßt mir ja doch keine Ruhe. Also. Karl
hatte ein Mädchen in Barcelona. Das saß im Gefängnis, und jetzt ist es tot.
Karl denkt, er und Zanoussi könnten schuld daran sein.
    Wieso, um Himmels willen?
    Pierre stand nochmal auf und goß beiden einen Cognac ein. Es habe da
also dieses Mädchen gegeben, Mila, eine blutjunge Kommunistin, Karls Mädel für
einige Zeit. Dann sei sie verhaftet worden. Karl habe Zanoussi gebeten, sich
über geheime Kanäle nach ihr zu erkundigen. Das sei wohl geschehen. Später habe
Zanoussi vom Tod des Mädchens erfahren und das Hotel fluchtartig verlassen.
Denn, Pierre mußte schmunzeln, er könne sensibler sein, als man vermuten würde.
    Ja, und dann
habe ich Zanoussi irgendwann bei dieser Boxveranstaltung getroffen. Da wußte
ich noch nichts über Mila. Zanoussi fragte mich, was er tun solle, ob er die
Pflicht habe, Karl mitzuteilen, daß sie tot sei, oder ob er es ihm verschweigen
solle. Details waren mir völlig unbekannt, und ich meinte, so traurig das sei,
aber er solle, müsse Karl wohl Meldung machen. Deswegen war er auf unsrer Soso.
Ich hatte keine Ahnung, daß er sich betrinken würde und was mit dieser
Todesnachricht verbunden wäre. Ich wollte mir die Szene ersparen und bin früh
schlafen gegangen. Noch in der Nacht hat sich Karl dann bei mir ausgeheult.
Kurz bevor du ins Zimmer kamst. Und stell dir vor, Karl hatte von Milas
Tod bereits gewußt. Durch das Einwohnermeldeamt in Bari.
    Ellie sah ein, daß das

Weitere Kostenlose Bücher