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Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Krausser
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unbedingt von ihm wissen wollte, wo man jemanden wie Zanoussi
auftreiben könne, wenn man ihn brauche.
    Max verstand nicht. Meinst du »jemanden wie ihn« oder Zanoussi in
Person?
    Letzteres.
    Wozu?
    Ist dir nicht aufgefallen, wie eng er mit Pierre tat? Was steckt
dahinter?
    Was glaubst du denn, was dahintersteckt?
    Ellie scheute
im letzten Moment davor zurück, jenen Sachverhalt zu vertiefen, handelte es
sich doch immerhin um ihren Gatten, den sie vagen, womöglich gehaltlosen
Verdächtigungen auszusetzen im Begriff war. Warum Karl sich derart
echauffiert habe, wüßte sie schon gern, gab sie zu.
    Ich
fand ihn wunderbar. Endlich einmal hat er mich überrascht . Sagte
Max und deutete mit einer Geste an, daß er nicht weiter belästigt werden wolle.
    Dann findest du nicht, daß wir uns bei Zanoussi entschuldigen
sollten?
    Nein. Laß mich bitte in Ruhe.
    Was schreibst du denn da auf so viele Zettel?
    DAS GEHT DICH VERDAMMT NICHTS AN. JETZT VERPISS
DICH BITTE MAL!
    Ellie stand für Sekunden mit offenem Mund vor Max, bevor sie die Tür
zu seinem Zimmer, von außen und mit größtmöglicher Wucht, zuwarf. Entgegen
seiner sonstigen Gewohnheit bei Streitfällen eilte Max ihr nicht hinterher, um
eine sofortige Versöhnung in Gang zu setzen. Ellie war verwirrt und traurig.
Binnen eines einzigen Tages hatten die drei ihr vertrautesten Menschen, Max,
Pierre und Karl, verstörende Wesenszüge gezeigt. Für jemanden wie sie war das
längst kein Grund stillzuhalten. Im Gegenteil. Es galt nun erst recht, aktiv zu
werden. Ellie hatte sich etwas in den Kopf gesetzt, das darin etwas anderes,
wenn auch noch amorphes, nicht klar formuliertes, auszubrüten begann.
    Am späten Abend entschuldigte sich Max bei ihr und verwies darauf,
daß er zwar über Gebühr laut geworden sei, aber immerhin bitte gesagt habe. Er ging
ungeküßt zu Bett.
    Weil Ellie nicht wußte, an wen sie sich wenden sollte, suchte sie
anderntags einfach mal Chapelles Frau auf, Blanche, das ehemalige Zimmermädchen
des Monbijou .
Nach dem Verschwinden ihres Mannes mußte die finanzielle Lage der Frau, die mit
ihren 22 Jahren jugendlich unbeholfen, verschüchtert wirkte, aufs höchste
angespannt sein. Von daher war Ellie überrascht, Blanche gegen Mittag im
Morgenmantel anzutreffen, in einer Wohnung, die mit vier Zimmern viel zu groß
war für eine einzige Person. Doch war die Wohnung nur gemietet, kein Eigentum,
natürlich, sonst wäre sie von Chapelles Gläubigern längst gepfändet worden. Der
Mietvertrag lief noch bis zum 31. Dezember, bis dahin konnte Blanche hier
wohnen und eine neue Stellung suchen, was sie indes nur halbherzig in Angriff
nahm. Mit einem beinahe stupide zu nennenden Optimismus schien sie ernsthaft
darauf zu hoffen, daß Xavier plötzlich wieder auf der Matte stehen und seine
Schulden begleichen würde, als sei er nur mal eben Geld besorgen gegangen.
    Blanche bat Ellie herein, aus purer Neugier, wiewohl es kaum eine
Person gab, gegen die sie einen ähnlich tiefen Groll hegte. Ellie wußte davon
nichts, wie sie auch nichts davon wußte, geschweige denn dafür konnte, daß
Chapelle versucht hatte, Blanche ihrem Vorbild gemäß umzugestalten. Sie hätte
darüber gelacht und sich auf unangenehmste Weise geschmeichelt gefühlt. Davon,
daß Chapelle heimlich bis unheimlich in sie verliebt gewesen sein sollte, waren
Gerüchte zu ihr gedrungen, aber daß – und in welchem Ausmaß – Blanche deswegen
gelitten hatte, davon wußte sie nichts.
    Die Figur gewordene Grisaille eines Mädchens. Aber jeder nach seinem
Geschmack, dachte Ellie. Gibt Leute, die jegliche Farbe als zu grell empfinden.
Das leibarme Wesen, das da vor ihr stand, hatte etwas von einer Laubsägearbeit,
auf dünnem Holz entworfen, kaum koloriert.
    Das Gespräch verlief zuerst sachlich und unterkühlt. Ellie nannte
als Motiv des Besuchs, sich nach Blanches Gesundheit und Wohlergehen erkundigen
zu wollen.
    Sie wollen mich doch nur nach Xavier ausfragen, also stellen Sie
Ihre Fragen, Madame.
    Ellie hatte mit einer so unwirschen Reaktion nicht gerechnet. Hatte
die ganze Welt ihre Manieren verloren?
    Ich werde mich bemühen, Ihnen nicht zuviel Ihrer kostbaren Zeit zu
stehlen. Sagte Ellie, mit leicht zusammengekniffenen Augen. Ich nehme an, daß
Sie nichts Neues von Ihrem Mann gehört haben.
    Nein, hab ich nicht.
    Ob Xavier ihr denn keine einzige Zeile hinterlassen habe?
    Nein, hat er nicht.
    Das ist ungewöhnlich, oder?
    Blanche zuckte mit den Schultern. Sie hätten ja dauernd gestritten.
Das

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