Nicht ganz schlechte Menschen
habe
tun dürfen, so sei das sein Schaden und der Fall damit erledigt. Ellie wollte
nicht streiten und gab nach. Marcowitz hatte in einem preiswerten kleinen
Studio in Cannes drei Kopien des Films anfertigen lassen und diese in einer Art
Geheimauktion als Unikate versteigert. Der Jet-Set rund um Monte Carlo riß sich
darum. Marcowitz’ Gewinn nach Abzug diverser Schmiergelder betrug etwas mehr
als 80.000 Francs. Nach einigen Gläsern Wein, die er großzügig auf seine
Rechnung nahm, konnte er nicht anders, als damit auch noch zu prahlen.
Die Angelegenheit wäre ohne Bedeutung gewesen, hätte Ellie über ihre
gewöhnliche Seelenruhe verfügt. Aber sie befand sich, allein schon, weil sie 39
war, und auch das nur noch bis zum November, in einem gewissen Ausnahme- und
Alarmzustand, der die Dinge in ein übergrelles Licht rückte. Es kam ihr vor,
als sei jeder, der außer seinen Skrupeln nichts zu verlieren hatte, imstande,
aus ein bißchen Kapital ein kleines Vermögen zu machen. Wohingegen jemand, der
kein Kapital, dafür aber Anstand besaß, wie von einem schweren Gewicht an den
Füßen behindert durchs Leben humpelte. Sie bekam Angst, etwas zu verpassen,
eine entscheidende Möglichkeit im Leben. Und immer redete Max auf Ellie ein,
riet ihr dazu, die Gelegenheit zu nutzen, bevor sie verstrich. Er sagte dabei
nie: tu dies
und das , vielmehr entwarf er ein Panorama der Konsequenzen, die
durch untätiges Verhalten drohten. Seiner Meinung nach entstand Leiden
letztlich aus Dummheit, nichts sonst. Und Dummheit sei alles, was Leid in
jedweder Form ermögliche, ja auf den Plan rufe. Gefragt, welches Leid er genau
meine, scheute Max davor zurück, eine konkrete Antwort zu geben. Er könne nicht
in die Zukunft sehen oder nur sehr bedingt, aber es sei nie verkehrt, sich mit Reserven auszustatten. Ellie begriff seinen Rat als Aufforderung, ihre momentanen
Kompetenzen auszunutzen und Geld von Pierres Konto abzuheben. Schließlich wäre
es denkbar, daß dieses Konto nach einem Schuldspruch eingefroren werde. Es
gehe, insistierte Max, einzig darum, jene Finanzmittel jederzeit verfügbar zu
gestalten, ihr Potential auf ein Maximum zu schrauben. Kurz gesagt: Man müsse
in Gold investieren.
Ellie verstand von vielem etwas, von Wirtschaft fast nichts. Sie
vertraute Max bedingungslos, hob hohe Summen von Pierres Konto ab, um Gold zu
kaufen. Pierre, dem sie davon erzählte, unterstützte das sogar. In Zeiten
drohender Krisen könne man damit nichts falsch machen. Gold und Immobilien.
Deswegen habe er auch das Haus in Menton nicht verkauft, obgleich es wie die
Wohnung in der Rue Gabrielle praktisch nicht genutzt werde. Eines Tages aber
wolle er dort mit Ellie seinen Lebensabend genießen. Wenn sie nichts dagegen
habe.
Das war ein Satz zwischen Feststellung und Frage, man mußte darauf
nicht unbedingt antworten, und Ellie tat, als sei sie in Gedanken. Man konnte
einem Inhaftierten doch nicht erzählen, daß man sich alsbald von ihm trennen wollte,
das wäre zu grausam.
Vielleicht willst du es dir ja mal ansehen?
Was?
Das Haus. Macht euch ein paar schöne Tage dort, ihr drei.
Wenn, dann nur gemeinsam mit dir.
Pierre hatte eingewilligt, daß mit seinem Vermögen ein
wenig spekuliert werden dürfe. Jedenfalls hatte Ellie für sich dieses Fazit
gezogen. Es war auch weder anstößig noch unvernünftig, der Goldpreis stieg mit
jedem Tag, wie die Angst vor dem Krieg. Max und Ellie hatten beide in ihrem
Leben noch nie soviel Spielgeld zur Verfügung gehabt, nicht einmal, als Max
noch zur Mariendorfer Rennbahn ging, wo er mit seinem unschlagbaren Wettsystem
so bitter gescheitert war. Sie kauften Gold für beinahe 150.000 Francs. Nach
zwei Wochen hatten sie damit bereits zehntausend Francs Gewinn erzielt. Jetzt,
sagte Max, müsse man auf Diamanten setzen. In Zeiten, in denen es darauf ankam,
mit möglichst wenig Gepäck den Kontinent zu wechseln, seien Diamanten die
ideale Wertanlage. Karl interessierte sich nicht für derlei Transaktionen;
diese Sorte Fieber konnte ihm nichts anhaben. Er ging sogar soweit das alles
scharf zu verurteilen. Seiner Meinung nach verhielten sich Max und Ellie wie
Schieber und Kriegsgewinnler, wie schlimmste Parasiten des Kapitalismus. Max
fragte, wem denn bitte ein Schaden entstehe, wenn man von einer Anlageform auf
die nächste wechsle? Karl entgegnete, daß Geld sich nicht unendlich vermehre.
Wo es Gewinner gebe, müsse es Verlierer geben. Verlierer, die vielleicht nicht
ganz so schlaue, aber anständige,
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