Nicht ganz schlechte Menschen
her. Normalerweise hätte er sich auf das
Arrangement eingelassen, dergleichen war an der Tagesordnung, und wenn es sich
tatsächlich nur um erotische Stelldichein handelte, hätte selbst die Polizei im
Fall einer Entdeckung vielleicht ein Auge zugedrückt, gegen ein wenig
Beschwichtigungsgeld.
Aber nein, die Sache war Geising zu heiß. Er sah auf die Uhr. Ellie
mußte das Hotel inzwischen verlassen haben. Das beruhigte ihn ein wenig. Aber
mehr und mehr beunruhigte ihn der Nachname dieses jungen Mannes.
Darf ich Ihnen eine Frage stellen?
Tun Sie das.
Die junge Frau, die damals über mich so unglücklich … gestolpert ist …
Ja?
Geht es ihr gut? Sie hat sich hoffentlich keine blauen Flecke
zugezogen.
Keineswegs. Der Vorfall war ihr nur ein wenig peinlich. Hinterher
haben Ihre Pralinés sie sehr getröstet.
Ach ja? Geising setzte ein mühsames Lächeln auf.
War das Ihre Verlobte?
Max wunderte sich über diese Frage. Das ging diesen Menschen doch
nun einen feuchten Kehricht an. Doch statt einfach nur zu nicken, räusperte er
sich laut. Nein, sagte er, wir wohnen nur zusammen.
Geising wollte nicht aufdringlich werden. Außerdem war ihm gerade
eingefallen, daß, falls es jemals zur Heirat mit Ellie käme, Max sein Schwager
werden würde. Konnte er ihm da einen Gefallen verweigern? Vielleicht war der
Moment gekommen, um die Karten auf den Tisch zu legen.
Hören Sie, Herr Löwe, ich will mich einmal schwer verbiegen und
Ihnen vertrauen. Wenn Sie ein Zimmer benötigen, sagen Sie Bescheid, eines haben
wir fast immer frei, dann händigt der Portier Ihnen den Schlüssel aus, und Ihr
Herr Auftraggeber kann über den Hof kommen, über den Hintereingang. Das Zimmer
kostet hundertzwanzig Francs pro Tag, auch wenn es vielleicht nur stundenweise
genutzt wird. Hinterlegen Sie das Geld in der Nachttischschublade. Wenn die
Polizei Ihren Auftraggeber bei uns erwischt, aus irgendeinem Grund, manchmal
gibt es Paßkontrollen, soll er behaupten, er sei nur als Besucher hier, das
Zimmer ist dann jeweils auf eine Dame eingetragen, die ich gut kenne und die
mir einen Gefallen tun wird. So kann fast nichts passieren. Trinken Sie einen
Cognac mit mir?
Max hatte nichts dagegen.
Ich muß Ihnen etwas sagen, Max, darf ich Sie beim Vornamen nennen,
so jung wie Sie sind?
Max hatte wiederum nichts dagegen.
Geising schenkte den Cognac ein.
Ich bin Pierre. Nennen Sie mich ruhig so. Hören Sie! Das wird Sie
jetzt wahrscheinlich sehr überraschen. Ellie und ich, wir kennen uns.
Ah.
Mehr noch, wir sind einander vertraut.
Oh?
Wir haben eine Beziehung, Ellie und ich.
Max sagte nichts.
Bitte urteilen Sie nicht vorschnell, lieber Max. Es stimmt, ich bin
ein verheirateter Mann. Deswegen hält Ellie die Sache geheim. Sie schämt sich.
Ihnen aber will ich heute und hier die Wahrheit sagen. Ich werde mich scheiden
lassen und Ellie heiraten. Wenn sie ja sagt.
Max nahm einen Schluck Cognac.
Ich sehe an Ihrem Gesicht, lieber Max, daß Ihnen die
Situation nicht behagt, mir ebensowenig, und doch fühle ich bereits eine
Erleichterung. Eine große Erleichterung. Kann es wirklich Zufall sein, daß Sie
den Weg zu mir gefunden haben? An solche Zufälle will ich nicht glauben. Es ist
eine Fügung. Ihre Schwester aber ist ein Geschenk des Himmels.
Jaja. Sie ist übrigens nicht meine Schwester.
Max biß sich auf die Lippen. Dieses Wort – Fügung – hatte er heute
selbst schon, wenn auch nur in Gedanken, verwendet. Keine zwei Stunden lag das
zurück. Dinge fügen sich zusammen. Messer und Herzen, Kanonenkugeln und
Kasernenmauern, ineinanderkrachende Kriegsschiffe – seine Gedanken wirbelten
wie Schnee im Sturm von da nach dort. Wie konnte er so dumm gewesen sein?
Sie ist nicht Ihre Schwester?
Nein, sie ist, Ellie ist meine – Halbschwester. Hörte Max sich
sagen.
Geisings Gesicht hellte sich auf. Damit war alles bestens erklärt.
Ich hatte mich schon gewundert, wegen eurer verschiedenen Nachnamen.
Sagen Sie, Pierre, sagen Sie mir bitte –
Ja?
Als Ellie über Sie gestolpert ist, damals, da kanntet ihr beide euch
längst. Richtig?
Das ist wahr. Ich hatte die Bonbonnière für Ellie dabei, besaß dann
aber den Mut nicht mehr, an ihre Tür zu klopfen. Sie wollte mir ja nie sagen,
wo ihr wohnt, deshalb hab ich ihr nachspioniert. Als ihr beide aus dem Haus
kamt, kniete ich nieder, um meine Schuhe zu binden, vielmehr – um mein Gesicht
zu verbergen.
Nun nahm auch Geising einen Schluck aus seinem Cognacschwenker. Und
seufzte tief.
In
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