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Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Krausser
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unterschiedliche Schreibweise lag an
diesem und jenem, hatte beim Eröffnungsbukett der olympischen Spiele zur
Rechten Hitlers sitzen dürfen, und verantwortlich dafür war folgendes.
    Du erinnerst dich sicher an den Algerier, dessentwegen ich dich
verlassen habe?
    Max verzog den Mund. Wirst deine Gründe gehabt haben.
    Hatte ich. Mein Gott. Es tut mir leid. Aus tiefstem Herzen leid. Wie
konnte ich? Du warst stets so loyal, aber dieses kleine Schwein mit seinem
riesigen – du bist ja schon gut bestückt, aber er, diese Kanaille, kurz und
gut, er hat mich erpreßt, erpressen wollen, vielmehr, ich dachte mir nichts
dabei und hab ihn geschlagen, ohne darauf zu achten, daß dieses Pack noch
stolzer sein kann, als es dumm ist. Er rennt zu meiner Frau, berichtet ihr von
meiner Neigung, die glaubt zuerst kein Wort, überrascht uns aber in der Wohnung
über der Garage. Mon Dieu! Was war ich blöd! Er hatte mir eine Versöhnung
angeboten, ich Trottel bin darauf eingegangen – und die Tür geht auf, die Tür,
die ich immer verriegelt hielt, das kleine Schwein hat – hinter meinem Rücken –
    Es war eine lange Geschichte. Denise, Raymonds Gattin, hatte zuerst
mit Scheidung gedroht, dann, als sie begriff, daß das keine adäquate Strafe,
sondern eher ein Entgegenkommen sein würde, hatte sie darauf bestanden, daß er
auszog, und, das war teuflisch zu nennen, seinen Sitz im olympischen Komitee
abgab. Denise wußte genau, wie sie ihren Mann am härtesten treffen konnte. Daß
Raymond sich absentieren und in Berlin zwei unbeschwerte Wochen genießen würde,
kam für die zornentbrannte Frau nicht in Frage. Sie kündigte an, nötigenfalls
den Zeitungen, ersatzweise, falls die geschwiegen hätten, seinen Kindern oder
gar der Sittenpolizei einen Wink zu geben. Raymond hatte ihren Forderungen voll
und ganz entsprochen, nicht zuletzt, weil er Denise, erstaunlicherweise, immer
noch liebte, und seine drei fast erwachsenen Töchter aus erster Ehe sowieso. Er
traute Denise, die kaum fünfzehn Jahre älter war als das älteste seiner Kinder
(die zwanzigjährige Blanche), durchaus zu, vollends die Nerven zu verlieren.
    Die letzten Wochen, so der Marquis, seien die reine Hölle gewesen.
Er sehne sich nun nach einem Freund. Einem vertrauenswürdigen Menschen.
    Wofür? Fragte Max.
    Wofür denn wohl? Was für eine Frage ist das?
    Raymond rückte näher an Max heran, flüsterte ihm direkt ins Ohr. Ich
möchte mich an diesem Schwein rächen. Hast du dahingehend Möglichkeiten?
    Was denn für Möglichkeiten?
    Naja, kennst du irgendwen, der an so was, sagen wir: interessiert
wäre?
    Woran?
    Verdammt, treib keine Spielchen mit mir!
    Das läge mir fern. Was willst du genau? Dem Algerier eine Abreibung
verpassen oder was?
    Mindestens. Du kennst doch bestimmt Leute –
    Max kannte keine Leute , die dem Marquis in
seiner Rachsucht hätten weiterhelfen können. Was er jedoch für sich behielt und
so tat, als müsse er überlegen.
    Was wär es dir wert?
    Zehntausend Francs.
    Wie bitte?
    Zehntausend Francs, wenn du dieses Schwein erledigst. Fünf, wenn du
ihm beide Beine brichst.
    Bedaure. Max erhob sich, als wolle er die Versuchung so schnell
loswerden wie einen Batzen Taubenkot vom Mantelärmel. Wenn er etwas von sich
wußte, dann, daß er weder ein Mörder noch ein Beinebrecher war. Und beides in
diesem Leben nicht mehr werden wollte. Selbstverständlich wäre es ihm möglich
gewesen, sich zu erkundigen, bei gewissen Subjekten, die gewisse Subjekte
kannten. Aber das wäre gleichbedeutend damit gewesen, es selbst zu tun.
    Schlag dir das aus dem Kopf. Wo wohnst du derzeit? Zuhause?
    Raymond
nickte und wurde ein wenig rot. In der kleinen Wohnung über der Garage. Und nur
wenn Gäste da sind, ist es mir erlaubt, das Haus zu betreten. Um den Schein zu
wahren. Sind wir wieder Freunde?
    Max fühlte, daß er nicht gleichzeitig nein sagen und die 500 Francs
behalten durfte. Darum sagte er ja. Schlicht und einfach: Ja.
    Zwischen
Karl und Ines war ein recht vertrautes Verhältnis entstanden. Sein Spanisch
wurde besser und besser, und wenn sie in ihrer kleinen Kammer auch pro Tag im
Durchschnitt vier bis fünf Freier bediente, schien sie ihm nach wie vor
ergeben. Einmal erzählte er ihr von dem Greis aus der Nachbarschaft, der
sie eine tolle Frau genannt habe, was doch ein großes Kompliment sei. Ines zog
die Brauen hoch.
    Was alte Männer sagen, kümmert das Leben nicht weiter.
    So lautete ihr spärlicher Kommentar dazu.
    Einmal, es war schon dunkel draußen

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