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Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Krausser
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degoutant und zynisch. Er stand auf und
wollte gehen, sich grußlos entfernen. Zanoussi rief ihn zurück.
    Warte! War nur eine Probe! Komm wieder her, beruhige dich. Hättest
du nicht so empört reagiert, hätte ich dich sofort erschossen.
    Du hättest mich – erschossen?
    Natürlich. Paß bloß auf, was du redest. Im Karneval der Träume.
    Zanoussi schien nicht ganz richtig im Kopf. Nun auch noch Angst vor
ihm haben zu müssen, war der Zumutung zuviel.
    Hast du denn eine Waffe? Um mich zu erschießen?
    Ich bin eine Waffe. Jetzt setz dich doch wieder. Du rotes Ferkel. Nimm Platz!
    Abends stellte Max Ellie ohne Umschweife zur Rede. Ob sie
neben ihm noch eine andere Beziehung am Laufen habe, wollte er sie nicht
fragen, um keine schmerzhaften Lügen zu hören. Er konfrontierte sie direkt mit
den Tatsachen.
    Ich war bei Geising. Er hat alles gestanden. Nein, ich
habe dir nicht nachspioniert, wie er es wohl getan hat. Wir haben uns zufällig
getroffen, so unglaubwürdig das auf dich jetzt auch wirken mag. Wir kamen ins
Gespräch wegen einer ganz anderen Angelegenheit. Dabei habe ich alles erfahren.
Er denkt daran, dich zu heiraten. Glücklicherweise, frag nicht, warum, hab ich
ihm gesagt, du seist meine Halbschwester, nicht meine Geliebte. Er betrachtet
mich also nicht als Nebenbuhler. Und wirklich kommt es mir so vor, als wärst du
tatsächlich eher eine Halbschwester als eine Geliebte. Ein verlogenes,
mißratenes Stück. So, nun rechtfertige dich. Und erzähl mir keine
Räuberpistolen. Liebst du diesen Mann?
    Ellie lauschte der wohleinstudierten Rede mit halb offenem
Mund und setzte sich an den Küchentisch. Wie ein getroffener Boxer
zusammensackt. Zwischen all den unangenehmen Gefühlen, die die Situation ihr
aufzwang, gab es doch auch etwas, das man mit Erleichterung umschreiben konnte.
Eine Art potentieller Erleichterung, insofern sie die nächsten Minuten überstehen
würde.
    Natürlich liebe ich ihn nicht. Wir leben von seinem Geld, das ist
alles. Du bist dir ja zu fein für eine Arbeit.
    Max legte fünfhundert Francs auf den Tisch. Die Geste entbehrte
nicht einer gewissen, beinahe spielfilmhaften Theatralik, und er genoß den
Moment, als er sah, wie perplex Ellie das Geldbündel registrierte.
    Stammt das von Pierre?
    Nein, das hab ich verdient.
    Womit?
    Gehört nicht hierher. Was machen wir nun?
    Ellie schwieg. Ihr war so, als würde sie nicht ernsthaft gefragt,
als sei längst bestimmt, was geschehen würde.
    Liebst du mich noch?
    Max stellte die Frage in einem sehr sachlichen Ton, er berührte
dabei ihre Hand, streichelte mit dem Daumen über ihre Finger, wie über die
Saiten einer Harfe.
    Ja.
    Das sagst du nicht etwa nur, um mich zu besänftigen?
    Nein, und ich wollte, du hättest mich viel früher danach gefragt.
Manchmal hab ich ja gar nicht mehr gewußt, ob wir noch zusammen sind.
    Wir sind es, von meiner Seite aus.
    Gut. Danke.
    Tränen stahlen sich in Ellies Augwinkel. Sie ergriff Max’ Hand, zog
sie an ihren Mund und küßte sie. Er schämte sich bereits, seine Gefährtin einem
derart strengen Verhör unterzogen und je an ihr gezweifelt zu haben. Wo die
Unterredung bisher schon filmische Züge gehabt hatte, wurde sie nun geradheraus
opernhaft.
    Ich werde Pierre morgen sagen, daß Schluß ist. Du mußt dir keine
Sorgen machen.
    Vielleicht will ich das aber gar nicht.
    Dieser Satz ließ Ellie dann doch ratlos zurück, und zum ersten Mal
wagte sie es, Max in die Augen zu sehen.
    Das willst du nicht?
    Du hast mit halb Berlin geschlafen. Denkst du, es macht mir noch
viel aus, wenn du mit diesem Tölpel schläfst? Ich liebe nunmal eine Hure. Mit
allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.
    Ellie entspannte sich. Max hatte ihr eine Liebeserklärung gemacht.
Mehr zählte nicht für den Moment.
    Wir müssen uns auf eine glaubhafte Biographie einigen. Ich
schlage folgendes vor: Samuel Jakobowskis Witwe, Hedwig, hat noch einmal
geheiratet, den Juristen Theodor Loewe, dem sie die Zwillinge Max und Karl
gebar. Einverstanden?
    Wozu soll das gut sein?
    Das überlass mal mir. Du merkst dir einfach, deine Mutter heißt von
nun an Hedwig und ist tot. Gestorben 1930 an Brustkrebs im Alter von – lass
mich rechnen, sagen wir 49 Jahren. Alles klar? Du preßt aus deinem Pierre
heraus, was du kriegen kannst, und falls der Trottel sich von seiner Frau, was
ich nicht glaube, tatsächlich scheiden läßt, gibst du ihm den Laufpaß. Mit
einem Arschtritt.
    Kann es sein, daß du böse bist?
    Wenn ich es geworden sein sollte ,

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