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Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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schlugen wir die Wörter »Vogel« und »beobachten« nach. Beide waren nicht aufgeführt, also konnten wir unsere Reise getrost fortsetzen.
    Die Fähre erwies sich als Glücksgriff für Menschen wie uns, die insgeheim immer hofften, dass sich ihre beiden liebsten Hobbys einmal unkompliziert verbinden ließen. In unserem Fall waren es Klaustrophobie und Paranoia.
    Das Fährschiff verkehrt fast täglich zwischen den Hafenstädten Kiel und Klaipeda, wobei es fast ausschließlich russische Truckfahrer und gefrustete deutsche Erdkundelehrer transportiert. Seine wahre Würze erlangte dieser Schmelztiegel der Kulturen allerdings erst durch die Dreingabe einer litauischen Motorradgang, deren Mitglieder sich aufgrund der kühlen Witterung ihre Lederjacken auftätowiert hatten.
    Mein Freund und ich waren definitiv das Kraut, welches nicht in die Suppe gehörte. Dem Reisebudget gehorchend hatten wir keine gewöhnliche Kabine gebucht, sondern die sogenannte »Pullman Lounge«. Bis heuteweiß ich nicht, wer oder was ein »Pullman« ist, aber nach Ansicht der Räumlichkeit denke ich ebenfalls darüber nach, den Begriff »Lounge« neu zu definieren. Es war ein fensterloser, circa zwanzig mal zwanzig Meter großer Käfig, der zu drei Seiten durch beigefarbene, konkave Wände begrenzt wurde. Die vierte Wand bildete eine hauchdünne Trennscheibe, an die die Bordkneipe angeschlossen war. Weltrekordhalter im Tetris-Spielen waren beauftragt worden, die Inneneinrichtung zu gestalten. So befanden sich dort sechzig Sitze, die theoretisch aufklappbar gewesen wären. Insgesamt bot diese »Pullman Lounge« also Platz für etwa einhundertzwanzig Passagiere, jedoch nur Sauerstoff für zehn. Folglich verbrachten mein Freund und ich die vielen, vielen Stunden bis zur Nachtruhe in der Cafeteria.
    Dort befanden sich links von uns die Erdkundelehrer, die ihre Landkarten in unseren Heißgetränken ausbreiteten und durch das ununterbrochene Tragen ihrer Fahrradhelme signalisierten, dass sie durchaus nicht für einen kleinen Plausch mit uns zu haben wären. Da es sich bei unseren Heißgetränken um Grog handelte, suchten wir alsbald Anschluss an die russischen Berufskraftfahrer zu unserer Rechten, aber die hielten uns für Waschlappen. Sie tranken aus Kanistern. Nur die Jüngeren unter ihnen hatten sich die Mühe gemacht, das darin befindliche Benzin durch Wodka auszutauschen. Gegen zwölf Uhr nachts kristallisierte sich heraus, dass wir wohl in keine der vorherrschenden Gangs aufgenommen werden würden. Doch immerhin durften wir frei wählen: Den Erstickungstod im Pullmankäfig oder eineunvergessliche Nacht auf dem Oberdeck, bei zwei Grad Plus und litauischen Rockern.
    Nachdem wir einen Kanister von den Truckern geklaut hatten, entschieden wir uns für Frischluft. Unser Plan war, mit dem Benzin einen Bannkreis um unsere Schlafstätte zu ziehen und abwechselnd Wache zu halten. Leider mussten wir feststellen, dass Schiffe bei Regen gar nicht so gut brennen, wie man immer meint. Dafür erwiesen sich die litauischen Heils Angels als viel sanftmütiger, als wir angenommen hatten. Immer, wenn mein Freund sich seekrank über die Reling beugte, schickten sie einen aus ihrer Zunft, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Artig fragte ein jeder: »Do you want to have sex – now?«
    Und ich lehnte höflich, aber bestimmt ab, indem ich antwortete: »Generally yes, but not with you.«
    Gegen vier Uhr morgens wurde ihnen das Spiel zu blöde, allerdings war es dermaßen eisig, dass ich wahrscheinlich doch noch in eine wärmende Orgie eingestiegen wäre. Zu dieser Zeit war mein Freund bereits vor Kälte erstarrt, meines Erachtens ein weiterer Grund, warum die Rocker von uns abließen. Sie schienen totes Fleisch instinktiv zu meiden. Ganz im Gegensatz zu den Möwen, die uns bei der Einfahrt in den Hafen durchaus interessiert beobachteten. Fast hätten wir zurückgeguckt, aber dank unserer Standfestigkeit gelang es uns, unser Reiseziel nicht nur beizubehalten, sondern sogar dort anzukommen.
    In Litauen angedockt konnten wir die viel gepriesene Schönheit der Landschaft in natura bewundern: eineseit Jahrzehnten unberührte Industriewüste, so weit das Auge reichte. Kein störendes öffentliches Telefon, kein Geldautomat, keine besetzte Wechselstube. Lediglich eine Bushaltestelle verdarb das vollkommene Idyll. Glaubhaft wurde uns jedoch versichert, dass der Fahrplan schon vor Jahren eingestellt worden war.
    Doch die himmlische Ruhe wurde jäh unterbrochen.
    »Ich

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