Nicht lecker, aber Weltrekord
erschüttert, wenn es zum ersten Mal einen echten Rheinländer-Großstadtjungen spreschen hört. Aber auch fasziniert. Und tief gerührt. Alles auf einmal. Der erste Satz, den ich von meinem ersten Düsseldorfer Freund hörte, verschlug mir deshalb auch die Sprache. Er lautete:
»Hallo, isch bin der Ulli, und teschnich jesehen bin isch der Jastjeber hiiiäär.«
Und ich sah rot: Ich sah den gesamten Satz vor meinem geistigen Auge, jedes einzelne Wort rot angestrichen.
Folgende Antwort auf diese freundliche Begrüßung formatierte sich daraufhin in meinem Gehirn:
»Guten Abend, mein Name ist Katinka. Ganz bewusst sage ich nicht ›die Katinka‹, weil ich mein Gegenüber im Allgemeinen für so intelligent einschätze, dass er anhand des Vornamens und der vor ihm stehenden Person erschließen kann, dass es sich bei mir um ein weibliches Wesen handeln muss. Dass Sie der ›Jastjeber‹ sind, sowohl im theoretischen als auch praktischen Sinne, nehme ich Ihnen durchaus ab, weil ich jedem Menschen seinen eigenen regionalen Spleen gönne. Oder ›jönnen tu‹, wie Sie das wahrscheinlich ausdrücken würden. Aber, mein lieber ›der Ulli‹, bei ›teschnich‹ hört es wirklich auf! Sie müssten sich da schon entscheiden. Wenn Sie den Kopf getätschelt haben möchten und eine lebenslange Orientierungsphase in der Vorschule für erstrebenswert halten, dann empfehle ich Ihnen, die Variante ›technich‹ zu wählen. Sollten sie allerdings den Wunsch hegen, nach Stuttgart auszuwandern, sagen Sie fortan bitte nur noch ›teschnisch‹. Aber ›teschnich‹ geht nun wirklich nicht. Es wirkt inkonsequent, gierig sogar, fast maßlos, geradezu arrogant und von so einer gewissen Leckt-misch-am-Arsch-Attitüde geprägt. – Ach, irgendwie ist das aber auch schon fast wieder Punk. Nimm mich, Kapitän!«
Gesagt habe ich wohl nur die letzten drei Worte, und so wurden Ulli und ich ein Paar. Als wir wieder nüchternwurden, mochte ich ihn »teschnich« gesehen immer noch, allerdings gab es eine Eigenschaft an ihm, die mich schier wahnsinnig machte: Er dachte tatsächlich, dass seine Art des Spreschens normal sei. So normal, dass er sie auch in den schriftlichen Gebrauch übernehmen konnte. Das Maß war voll, als ich einmal zufällig sein Handy in die Finger bekam und mir seine Telefonliste näher anschaute. Faszinierend. Kein Eintrag unter dem Buchstaben A. Nicht einer unter B. Kein Name, der unter C gespeichert war. Allerdings ging es bei D dann richtig los. »Der Andi«, »Die Astrid«, »der Benno«. So ging das bis »die Yvonne«. Richtig fertig machte mich der einzige Eintrag unter T, nämlich »Tittensteffie«. Das müssen ja so dermaßen große Eumel gewesen sein, dass nicht einmal Ulli daran zweifelte, dass es sich bei der Dame um die Tittensteffie handelte.
Es kam zum Bruch mit Ulli. Wir waren erwachsen genug, um es kurz und schmerzlos zu beenden. Ich zog den Kürzeren und folglich in eine andere Stadt. Auf der linguistischen Ebene war es ein Umzug vom Regen in die Traufe. Denn mein erster kölscher Freund vereinigte sämtliche übrigen Marotten der rheinischen Sprachgewohnheiten in sich. Wenn es um seinen Kampf gegen die Grammatik ging, machte er keine Gefangenen. Wir waren ein schreckliches Paar. Er redete viel. Nur allzu oft gab er Sätze von sich wie: »Da hamwa mehr Driss met jehabt wie dat letzte Ma mit.«
Und ich verbesserte ihn. Zunächst leise. »Als!« , sagte ich, zunächst ganz ruhig, »als beim letzten Mal.« Irgendwann kreischte ich nur noch in sein Spreschen hinein,ähnlich wie die Möwen aus dem Film Findet Nemo . »Als, als, als!«, kreischte ich und kreiste mit aufgeschlagenem Duden um die erschrockene Gesprächsrunde. Im Gegensatz zu den besagten Möwen hatte ich natürlich Recht, war allerdings in der Unterzahl. Eine Million Kölner wissen es eben besser wie ich.
Amtlich zerstritten haben mein Kölner Freund und ich uns schließlich aufgrund eines besonders fürchterlichen Wortes, nämlich »Pänz«. »Pänz« ist Mehrzahl und bedeutet »Kinder«. Im Singular heißt es im Kölschen Panz. Nicht, dass er nicht auch dauernd andere kölsche Worte sprach wie »Driss« und »Flönz« und wie es alles heißt, und unter gewissen Umständen finde ich das ja auch ganz putzig, aber nicht beim eigenen Mann. Ich möchte nicht gefragt werden, ob ich mir vorstellen könnte »mal mit de eijene Pänz zum Zoch zu jehn, mal später wann«, sondern möchte doch ordentlich gefragt werden, wie denn meine Meinung zu eigenen
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